Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Inanspruchnahme einer zahnprothetischen Behandlung im EU-Ausland. Beurteilung der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit durch die Krankenkasse. Erforderlichkeit eines Kostenvoranschlags des ausländischen Arztes
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherte muss vor Durchführung einer zahnprothetischen Behandlung im EU-Ausland der Krankenkasse die Möglichkeit geben, die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der erstrebten Zahnersatzversorgung anhand von Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen (Vitalitätsprüfung, Parodontalzustand usw) zu beurteilen.
2. Der ausländische Zahnarzt muss nicht zwingend den im Inland vereinbarten Vordruck des Heil- und Kostenplans verwenden, sondern es genügt ein “Kostenvoranschlag„, aus dem die Befunde und die beabsichtigte zahnprothetische Versorgung ersichtlich sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von € 1.810,00 für in der Tschechischen Republik durchgeführte zahnprothetische Behandlung verlangen kann.
Die am … Mai 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung krankenversichert. Die Beklagte hatte ihrem Vorbringen zufolge einen Heil- und Kostenplan (HKP) des Zahnarztes I. in Ö. vom 13. Juli 2004 am 15. Juli 2004 genehmigt, der jedoch nicht zur Ausführung kam, da er der Klägerin zu teuer war. Nach dem Vorbringen der Klägerin gab es auch einen HKP des Zahnarztes Dr. K., den die Beklagte ebenfalls genehmigt hatte, der jedoch gleichfalls nicht zur Ausführung kam. Am 02. Februar 2006 nahm die Klägerin Kontakt mit dem Zahnarzt MuDr. H. (Zahnarzt) in C. in der Tschechischen Republik wegen einer zahnprothetischen Behandlung auf. Dieser Zahnarzt erstellte der Klägerin am 11. März 2006 einen “Kostenvoranschlag/Rechnung„ über eine zahnprothetische Behandlung bezüglich mehrerer Zähne über € 1.810,00 (Bl. 26 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Behandlung wurde dann in Tschechien am 25. März 2006 durchgeführt und die Klägerin bezahlte an diesem Tag € 1.810,00 (Bl. 22/23 der LSG-Akte).
Mit dem Stempel des 06. April 2006 ging bei der Beklagten der genannte Kostenvoranschlag ein. Mit Schreiben vom 07. April 2006 forderte die Beklagte daraufhin den Zahnarzt zur Übersendung der notwendigen Unterlagen (u.a. Röntgenaufnahmen) auf. Eine Röntgenaufnahme wurde daraufhin auch übersandt. Gleichzeitig bat die Beklagte die Kassenzahnärztliche Vereinigung B.-Württemberg um Begutachtung der vorzunehmenden prothetischen Behandlung. Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 teilte Zahnarzt Dr.. Sch., den die Kassenzahnärztliche Vereinigung B.-Württemberg um die Begutachtung gebeten hatte, zum Gutachtenauftrag mit, die Klägerin sei bereits prothetisch versorgt. Die Beklagte ermittelte als Kassensatz für die durchgeführte Behandlung einen Betrag von € 2.103,04 (vgl. Bl. 25 der LSG-Akte).
Mit Schreiben vom 19. Mai 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es könnten Zahnersatzkosten ohne vorherige Genehmigung nicht übernommen werden. Zahnersatzkosten im Ausland dürften nur in Notfällen erstattet werden oder dann, wenn vor Beginn der Behandlung ein HKP zur Genehmigung eingegangen sei. Die Klägerin widersprach der Ablehnung der Kostenübernahme. Mit Bescheiden vom 29. und 31. Mai 2006, wobei der letzte Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte nochmals die Kostenerstattung ab, da Zahnersatzkosten im Ausland nur dann übernommen werden dürften, wenn vor Beginn der Behandlung ein HKP zur Genehmigung vorgelegt worden sei. Eine andere Möglichkeit der Kostenübernahme sehe der Gesetzgeber nicht vor. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Auffassung der Beklagten sei offenkundig unzutreffend. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe entschieden, dass ambulante Behandlungen im Ausland ohne vorherige Zustimmung der inländischen Krankenversicherung des Versicherten durchgeführt und in Anspruch genommen werden dürften. Die bei ihr durchgeführten Maßnahmen entsprächen auch den deutschen Behandlungsrichtlinien und Vorgaben. Die Notwendigkeit, einen HKP vorzulegen, bestehe deshalb bereits aufgrund der europarechtlichen Vorgaben nicht. Dies ergebe sich auch nicht aufgrund der einfach gesetzlichen Regelung des deutschen Sozialrechts. Denn gemäß den Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnvertragsärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen sei zwar vor der Versorgung mit Zahnersatz ein HKP vorzulegen. Diese Voraussetzung gelte jedoch lediglich für die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragszahnärzte. Bei einem ausländischen Zahnarzt handle es sich unstreitig nicht um einen solchen Vertragszahna...