Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Geschäftsgebühr für Kostenwiderspruchsverfahren. sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensmangel. Entscheidung durch Gerichtsbescheid trotz angenommener grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache

 

Leitsatz (amtlich)

In dem erfolgreichen Widerspruchsverfahren gegen die ablehnende Kostenentscheidung im Abhilfebescheid zur Hauptsache richtet sich die Vergütung des Kostenwiderspruchsverfahrens nach Nr 2400 VV RVG und nicht nach Nr 2401 VV RVG. Eine Vorbefassung in demselben Verwaltungsverfahren liegt nicht vor.

Allerdings ist ein solches Kostenwiderspruchsverfahren als unterdurchschnittlich in Bezug auf Umfang und Schwierigkeit einzustufen. Dies rechtfertigt eine Absenkung der Gebühr auf 120 Euro.

Es liegt ein Verfahrensfehler des SG vor, wenn der Kammervorsitzende des SG angesichts der von ihm angenommenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache mit Gerichtsbescheid nach § 105 Abs 1 S 1 SGG entscheidet und hierdurch einem Kläger gem Art 101 Abs 1 S 2 GG seinen gesetzlichen Richter, nämlich die Kammer in voller Besetzung, entzieht (BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 87/00 R = BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1; Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R = BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2; siehe auch LSG Stuttgart vom 21.10.2011 - L 12 AS 2597/11 = NDV-RD 2012, 54). Nach § 159 Abs 1 Nr 2 SGG in der seit 1.1.2012 geltenden Fassung ist allerdings nunmehr neben einem wesentlichen Verfahrensfehler - der hier vorliegt - weitere Voraussetzung für eine Zurückverweisung, dass aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, wobei die erforderliche Beweisaufnahme entgegen dem Wortlaut der Norm nicht auf dem Verfahrensmangel selbst beruhen, sondern wegen des Verfahrensmangels unterblieben sein muss (siehe LSG Stuttgart vom 24.1.2012 - L 13 AS 1671/11).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im erfolgreichen Widerspruchsverfahren gegen die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid zur Hauptsache.

Die Klägerinnen, Mutter und nicht volljährige Tochter, beziehen als Bedarfsgemeinschaft seit längerem aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten, die zuletzt mit Bescheid vom 23.7.2012 in Höhe von 177,51 € unter Berücksichtigung von Unterhaltseinkommen gewährt wurden. Dagegen legten die Klägerinnen vertreten durch ihre Bevollmächtigte am 21.8.2012 Widerspruch ein (Widerspruchsnummer W 2262/12) und wiesen darauf hin, dass die in der Vergangenheit geleisteten Unterhaltszahlungen i.H.v. 132 € zwischenzeitlich eingestellt worden seien, wie sich aus den bereits vorgelegten Kontoauszügen ergebe (Bl. 83 VA). Mit Bescheid ohne Datum, der am 20.9.2012 bei der Vertreterin der Klägerinnen einging (im Folgenden als Bescheid vom 20.9.2012 bezeichnet; Bl. 96 VA, 26 SG Akte), half der Beklagte dem Widerspruch in vollem Umfang ab, lehnte jedoch eine Kostenerstattung als nicht notwendig ab, da die Unterhaltsvereinbarung der Eltern erst jetzt beim Jobcenter eingegangen sei.

Mit Fax vom 11.10.2012 ließen die Klägerinnen gegen die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid Widerspruch einlegen (Widerspruchsnummer W 2631/12) und beriefen sich darauf, dass alle relevanten Unterlagen bereits vor dem Erlass des Bewilligungsbescheids vom 23.7.2012 vorgelegt worden seien. Für die Notwendigkeit der anwaltlichen Hinzuziehung spreche auch die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch durch die Anforderung des Beklagten vom 6.9.2012 notwendig gewordene Aufklärung, dass es nicht um Unterhaltsvorschuss- sondern Unterhaltsleistungen gehe. Auch habe erst das in Aussicht gestellte Eilverfahren die Unterhaltsanrechnung gestoppt. Mit Bescheid vom 22.11.2012 hob der Beklagte den Bescheid vom 20.9.2012 auf. Dem Widerspruch habe demnach in vollem Umfang entsprochen werden können. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten würden erstattet.

Die Bevollmächtigte der Klägerinnen übersandte daraufhin die beiden Kostenrechnungen vom 26.11.2012 - Nr. 1200934 den Bewilligungsbescheid vom 23.7.2012 betreffend (zu W 2262/12) und Nr. 1200935 den Kostenbescheid vom 20.9.2012 betreffend (zu W 2631/12) - und begehrte die Erstattung von jeweils 395,08 €. Der Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten § 14, Nr. 2400 VV RVG

inklusive Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG wegen zwei Auftraggebern

 312 €

Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG

 20 €

Zwischensumme

 332 €

19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG,

 63,08 €

Gesamtsumme:

 395,08 €

Auf die Rechnung Nr. 1200934 zahlte der Beklagte am 12.12.2012 den geforderten Betrag von 395,08 €.

Nachdem die Bevollmächti...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?