Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. tatsächliche Aufwendungen. Mietminderung. Betriebskosten. Kabelanschluss. Einkommenseinsatz. Absetzung von Beiträgen für eine private Unfallversicherung. angemessene Versicherung. Vermögenseinsatz. Übergangsregelung aus Anlass der Covid-19-Pandemie. Nichtberücksichtigung von Vermögen für die Dauer von sechs Monaten
Orientierungssatz
1. Mindert ein Leistungsberechtigter gegenüber seinem Vermieter die Unterkunftskosten, sind dies die tatsächlich zu berücksichtigenden laufenden Unterkunftskosten, sofern die Mietminderung nicht offensichtlich unwirksam ist (vglLSG Schleswig vom 29.10.2020 - L 6 AS 21/18 = juris RdNr 21 undLSG Chemnitz vom 17.3.2022 - L 3 AS 568/21 = ZFSH/SGB 2022, 531 = juris RdNr 21).
2. Kabelgebühren können nur dann als Unterkunftskosten berücksichtigt werden, wenn der Mietvertrag eine Verpflichtung zur Zahlung vorsieht.
3. Bei einer privaten Unfallversicherung handelt es sich in der Regel nicht um eine angemessene Versicherung im Sinne des § 82 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 12.
4. Die Nichtberücksichtigung von Vermögen gem § 141 Abs 2 SGB 12 gilt nur für die Dauer von sechs Monaten, beginnend mit dem ersten Bewilligungszeitraum. Wenn dieser Zeitraum abgelaufen ist, kommt der erweiterte Vermögensschutz nicht mehr zum Tragen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 1. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2021 und vom 1. Januar 2022 bis zum 30. Juni 2022 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft inklusive Stromkosten und Kabelfernsehgebühren zuzüglich der gesetzlichen Zinsen. Darüber hinaus wendet sie sich gegen die Anwendung der Übergangsregelung des§ 141 SGB XII sowie gegen den von der Beklagten gewählten Bewilligungszeitraum. Schließlich begehrt sie Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung.
Die 1955 geborene alleinstehende Klägerin durchlief ihren Angaben zufolge (nach einer dreijährigen Ausbildung für den mittleren Justizdienst und fünfjähriger Tätigkeit an einem Notariat) von April 1980 bis Dezember 1985 an der Universität H1 ein Studium der Rechtswissenschaften und anschließend den juristischen Vorbereitungsdienst, bevor sie, unterbrochen durch Zeiten ohne Beschäftigung, an wechselnden Arbeitsstellen bis März 1995 u.a. als Juristin tätig war. Seitdem war die Klägerin arbeitslos und bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe. Ab Januar 2005 stand sie im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Klägerin bewohnt eine von ihr ab Januar 1991 angemietete Dachgeschosswohnung in P1 (Mietvertrag vom 18. November 1990, Bl. 25 ff. d. Verwaltungsakte) mit einer Wohnfläche von 48 m² (zwei Zimmer, Küchenteil, Bad mit Toilette), für die sie seit 1. August 2014 eine monatliche Gesamtmiete von 408,00 Euro (Kaltmiete 286,00 Euro, Betriebs-/Nebenkosten 32,00 Euro, Heizkosten inkl. Warmwasseraufbereitung 90,00 Euro) aufzubringen hat. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Abfallgebührenbescheides vom 29. Januar 2021 (Bl. 77 ff. d. Verwaltungsakte) hatte sie ferner im Jahr 2021 am 28. Februar 2021 einen Abschlag in Höhe von 18,44 Euro sowie am 15. März 2021, 15. Juni 2021, 15. September 2021 und am 15. Dezember 2021 jeweils einen Abschlag in Höhe von 43,29 Euro an die Abfallwirtschaft der Stadt P1 zu zahlen. Für das Jahr 2022 fiel ausweislich des Abfallgebührenbescheides vom 28. Januar 2022 (Bl. 305 ff. d. Verwaltungsakte) bei einer Gutschrift im Januar 2022 ein Abschlag für Abfallgebühren in Höhe von 38,91 Euro am 15. März 2022, 15. Juni 2022, 15. September 2022 und 15. Dezember 2022 an. Für den Kabelanschluss wird monatlich ein Betrag in Höhe von 20,99 Euro fällig (Schreiben u1 vom 5. Januar 2016, Bl. 81 d. Verwaltungsakte). Für Strom hatte die Klägerin einen monatlichen Abschlag in Höhe von 39,00 Euro aufzubringen, ab Januar 2022 hat sich der Abschlag auf 47,00 Euro erhöht (wovon die Klägerin, soweit ersichtlich, 40,00 Euro bezahlt; Bl. 291 ff. d. Verwaltungsakte).
Seit September 2020 mindert die Klägerin die Miete um 15 % der jeweiligen Bruttokaltmiete (laut Abrechnung der Klägerin in der Zeit von September bis November 2020 um einen Betrag in Höhe von 72,00 Euro, im Dezember 2021 um einen Betrag in Höhe von 66,20 Euro, ab Januar 2021 wiederum in Höhe von 72,00 Euro, Bl. 61 d. Verwaltungsakte). Unter Berücksichtigung dieser Mietminderung zahlt die Klägerin seit Februar 2021 an die Vermieterin einen Betrag in Höhe von 336,00 Euro monatlich (vgl. Kontoauszug vom 7. Januar 2021, Bl. 65 d. Verwaltungsakte).
Die Klägerin bezieht seit Juli 2021 eine Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 580,30 Euro (Bl. 85 ff. d. ...