Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG

 

Orientierungssatz

1. Die Bundesanstalt für Arbeit ist zum Erlaß von sich auf die Erstattungspflicht dem Grunde nach bezeichnenden Teilregelungen grundsätzlich berechtigt.

2. Scheidet ein älterer, langjährig beschäftigter Arbeitnehmer, dessen Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber unter den gegebenen Umständen zumutbar ist, mit dessen Einverständnis ohne Anschlußarbeitsverhältnis aus, so verwirklicht sich damit das nach dem Schutzzweck des § 128 AFG grundsätzlich von diesem zu tragende Risiko der eingetretenen Beschäftigungslosigkeit, welche den älteren Arbeitslosen mit spezifischen, sein fortgeschrittenes Lebensalter betreffenden durchaus nicht unbekannten Gesetzesmäßigkeiten des Arbeitsmarktes konfrontiert. Wenn der frühere Arbeitnehmer von der den besonderen Vermittlungsschwierigkeiten älterer Arbeitsloser Rechnung tragenden anspruchserleichternden Bestimmung des § 105c AFG Gebrauch macht, so hat der Arbeitgeber dies deshalb im Rahmen des § 128 AFG hinzunehmen, zumal ihm im Erstattungsfall auch Anspruchsverschärfungen und sonstige Einschränkungen des Leistungsrechts zugute kommen (vgl LSG Stuttgart vom 8.10.1996 - L 13 Ar 2750/95 und L 13 Ar 3388/95).

3. Die Amtsermittlungspflicht im Hinblick auf die die Erstattungspflicht ausschließende Erfüllung der Voraussetzungen auf andere Sozialleistungen (§ 128 Abs 1 S 2 Alt 2 AFG) setzt erst ein, wenn dafür Anhaltspunkte bestehen. Bloße Vermutungen, etwa mit Bezug auf allgemeine Rentenstatistiken, reichen nicht aus.

4. Die Tatsachen zur Befreiung von der Erstattungspflicht hat der Arbeitgeber darzulegen und nachzuweisen, was zur Folge hat, daß ihn die materielle Feststellungs- und Beweislast trifft, wenn der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller verfügbaren, von Amts wegen zu erhebender Beweise nicht vollständig aufgeklärt oder bewiesen werden kann. Darlegungen im Sinne der genannten Bestimmungen erfordern mehr als die bloße Behauptung, daß die Voraussetzungen eines Befreiungstatbestands vorliegen; vielmehr muß der entsprechende Vortrag über eine bloße Behauptung hinaus substantiiert begründet werden.

5. Wenn der Gesetzgeber in § 128 Abs 1 S 2 Nr 4 AFG die Erstattungspflicht nicht bei einem Auflösungsvertrag, sondern nur bei einer sozial gerechtfertigten Arbeitgeberkündigung ausschließt, mag von dieser Bestimmung im übrigen auch noch der Fall erfaßt werden, daß der Arbeitgeberkündigung Abwicklungsverträge nachfolgen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die Zeit vom 24. August 1994 bis 31. Januar 1996 Arbeitslosengeld (Alg, 19.697,60 DM) und die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- (8.214.25 DM) Renten- (9.409,16 DM) und sozialen Pflegeversicherung (36,36 DM), insgesamt also 37.357,37 DM, zu erstatten hat.

Der 1936 geborene H. S. wurde als Oberlehrer wegen Dienstunfähigkeit zum 1. Juli 1980 in den Ruhestand versetzt (Verfügung des Oberschulamts S. vom 23. Juni 1980). Deswegen erhält er Versorgungsbezüge (Zahlbetrag im Januar 1994 3.640,30 DM). Vom 3. März 1980 bis 31. Mai 1994 war er bei der Klägerin als Alodinierer beschäftigt. Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse B.-W. (AOK) ist er gesetzlich krankenversichert. Am 16. Mai 1994 schloß die Klägerin mit H. S. "aus betriebsbedingten Gründen" einen Aufhebungsvertrag, aufgrund dessen das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1994 gegen Zahlung einer Abfindung von 25.328,-- DM beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber tarifvertraglich zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen.

Am 1. Juni 1994 meldete sich H. S., auf dessen Lohnsteuerkarte für das Jahr 1994 und die Jahre 1995 und 1996 die Steuerklasse VI eingetragen war, beim Arbeitsamt S. (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg. In dem am 3. Juni 1994 unterzeichneten Antragsvordruck verneinte er die unter den Ziffern 4b, 5a sowie 8a und b gestellten Fragen, ob er vom Arzt arbeitsunfähig krank geschrieben sei, ob ihm die letzte Tätigkeit zu schwer gewesen sei oder er eine solche Tätigkeit aus anderen Gründen nicht mehr verrichten wolle, ob er (im einzelnen aufgeführte) Leistungen beziehe (abgesehen von den gewährten Versorgungsbezügen) und ob er einen Antrag auf solche Leistungen gestellt habe. Die Klägerin teilte in der Arbeitsbescheinigung vom 20. Mai 1994 mit, in den letzten sieben Jahren des Beschäftigungsverhältnisses seien keine Unterbrechungen der Zahlung von Arbeitsentgelt eingetreten, die im Einzelfall vier Wochen überschritten hätten; das Bruttoarbeitsentgelt habe - bei einer tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit von 36 Stunden pro Woche - in den bereits abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen mit mindestens 60 Tagen Anspruch auf Arbeitsentgelt (November 1993 bis April 1994) bei 4.224,26 DM (November 1993), 4.249,08 DM (Dezember 1993), 4.301,09 DM (Januar 1994), 4.226,68 DM (Februar 1994), 4.730...

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