Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenbehandlung. Kopforthese. keine Verbindlichkeit telefonisch übermittelter Zusagen von Mitarbeitern einer Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte der GKV hatten im Zeitraum vom 13.8.2008 bis 11.2.2009 keinen Anspruch auf Behandlung mit einer Kopforthese.
2. Telefonisch übermittelte Zusagen von Mitarbeitern einer Krankenkasse, die Kosten einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die noch keine positive Empfehlung des Gemeinsamen
Bundesausschusses vorliegt, zu übernehmen, sind nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen verbindlich. Grundsätzlich obliegt es dem Versicherten, sich durch die Bitte um schriftliche Bestätigung der telefonischen Zusage bei der Krankenkasse rückzuversichern.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer Kopforthesentherapie (sog Helmtherapie) in Höhe von 2.034,45 €.
Der Kläger ist am 22.12.2007 in der 34. Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 1470 Gramm geboren worden. Er ist über seine Mutter bei der Beklagten familienversichert. Nach der Geburt entwickelte sich aufgrund einer deutlich verringerten Mobilität eine Schädelasymmetrie, die zunächst konservativ mittels Lagerungswechseln und Physiotherapie behandelt wurde. Die Differenz zwischen den Schädeldiagonalen betrug 1,8 cm, es bestand ein Asymmetrieindex (CVAI) von 14,5 %. In der Zeit vom 13.08. bis 11.02.2009 wurde durch das Universitätsklinikum T. (UKT) ambulant eine Helmtherapie durchgeführt. Ziel der Behandlung ist eine Normalisierung der Kopfform durch dauerhaftes Tragen eines nach Maß angefertigten Kunststoffhelmes (Kopforthese), wodurch der kindliche Schädel in die vorgegebene Form symmetrisch hineinwachsen soll. Nach Abschluss der Behandlung bestand noch eine Differenz zwischen den Schädeldiagonalen von 0,6 cm, der Asymmetrieindex hatte sich auf 4,35 % verbessert.
Mit Schreiben vom 29.12.2008 beantragten die Eltern des Klägers die Übernahme der durch die Therapie entstandenen Kosten in Höhe von 2.311,46 € (Osteopathie 07.08.2008 45,00 €, Kopforthese 1.177,00 €, ärztliche Behandlung 21.11.2008 758,46 €, Fahrt- und Parkkosten für vier Fahrten à 230 km 231,00 €). Nach Befragung der behandelnden Ärzte des UKT und Einholung sozialmedizinischer Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (≪MDK≫ Gutachten Dr. R. vom 30.01.2009 und von Dr. H. vom 29.04.2009), lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 04.06.2009 ab. Eine Kostenübernahme könne bei einer frühkindlichen Schädeldeformierung nur erfolgen, wenn diese eine schwerwiegende Gefährdung der Gesundheit zur Folge habe. Dies sei nicht ersichtlich.
Mit seinem Widerspruch vom 02.07.2009 machte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, geltend, die Behandlung mit der Kopforthese sei von medizinischer Seite mehrfach dringend empfohlen worden. Der Erfolg der Behandlung zeige, dass die Kopforthese erforderlich und geeignet gewesen sei. Alle vorher ergriffenen Maßnahmen hätten nicht zur Verbesserung der Asymmetrie geführt. Nach erneuter Einschaltung des MDK (Gutachten Dr. H. vom 20.08.2009) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 den Widerspruch zurück. Eine Kostenübernahme nach § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei schon deshalb nicht möglich, weil die Behandlung von der Beklagten vor Durchführung nicht abgelehnt worden sei. Die Beklagte sei über die geplante Therapie nicht informiert gewesen und ihre Entscheidung sei vor deren Durchführung nicht abgewartet worden. Darüber hinaus sei bei Kopforthesen der therapeutische Nutzen bisher nicht mit aussagefähigen, wissenschaftlich kontrollierten randomisierten Studien belegt worden. Es sei auch nicht mit der nötigen Evidenz belegt, dass einer Schädelasymmetrie überhaupt ein Krankheitswert zukomme. Eine Bewertung des Behandlungsansatzes durch den Bundesausschuss liege nicht vor. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht zugrunde. Anspruch auf die beantragte Kopforthese bestehe daher nicht.
Hiergegen richtet sich die am 22.12.2009 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Die beim Kläger festgestellte Schädelasymmetrie stelle auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine deutliche und entstellende Asymmetrie dar. Die zuvor durchgeführten Behandlungen mittels Physiotherapie und Lagerungswechsel hätten versagt, mehrere Ärzte hätten zur Behandlung mittels der Kopforthese geraten. Bei einer telefonischen Rücksprache mit der Beklagten am 13.08.2008 - hierzu sind Einzelverbindungsnachweise mit einer Hotline der Beklagten vorgelegt worden - sei eine vorherige Beantragung der Therapie als zwingend für eine spätere Kostenübernahme verneint worden. Es seien zwei Telefonate zeitlich zwischen einer Erstuntersuchung und der anschließenden Beauftragung zur Behandlung durchgeführ...