Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Aufteilung der Prüfungsbefugnisse für Sprechstundenbedarfsvereinbarung in Baden-Württemberg verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Abgrenzung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Richtigstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufteilung der Prüfungsbefugnisse in der ab 1.1.2009 geltenden Sprechstundenbedarfsvereinbarung für Baden-Württemberg verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

2. Es ist rechtlich unbedenklich, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung von den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen und die sachlich-rechnerische Richtigstellung von der Kassenärztlichen Vereinigung durchgeführt wird.

3. Die Zuordnung von Mitteln, die nicht in der Anlage zur Sprechstundenbedarfsvereinbarung aufgeführt werden oder den dortigen Bestimmungen nicht entsprechen, zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung und nicht zur Wirtschaftlichkeitsprüfung entspricht der allgemeinen Abgrenzung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und sachlich-rechnerischen Richtigstellungen.

4. Eine Übertragungspflicht auf die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung hat das BSG in seinem Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 29 nicht aufgestellt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 6 KA 23/18 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.01.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.737,80 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Verordnung von Fortecortin und Klean Prep als Sprechstundenbedarf (SSB) im Quartal 3/2009 streitig, wobei primär darum gestritten wird, ob die beklagte KV berechtigt ist, die Verordnung von SSB zu regressieren.

Der Kläger nimmt als Chirurg mit Vertragsarztsitz in B. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Nach seinen eigenen Angaben führt er 500-600 Koloskopien pro Jahr durch.

Im Quartal 3/2009 verordnete er am 29.09.2009 u.a. 2 x 100 Fortecortin 4 mg Tabletten sowie Klean Prep Btl. No. 500 als SSB.

Auf den Regressantrag der Beigeladenen vom 23.07.2010 setzte die Beklagte gegen den Kläger mit im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Verordnungsweise ergangenem Bescheid vom 17.05.2011 einen Sprechstundenbedarfsregress i.H.v. 1.737,80 € wegen der Verordnung von Fortecortin und Klean Prep als SSB fest.

Am 17.06.2011 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, er habe Fortecortin 4 mg in unregelmäßigen Abständen und nicht in jedem Quartal über SSB bestellt. Insgesamt habe es sich pro Jahr nur um 400 Tabletten gehandelt. Bezüglich des Medikaments Klean Prep Btl. sei zu beachten, dass der Ausschluss des einmalig zur Diagnostik zu verordnenden Abführmittels die Kostenträger ca. 40 bis 50% mehr koste als die Abrechnung mittels Großpackungen über SSB. Es sei ihm völlig unverständlich, weshalb die von ihm praktizierte und in der Vergangenheit mit der Beklagten telefonisch abgesprochene Vorgehensweise bislang zu keiner Zeit moniert worden sei und jetzt nach fast acht Quartalen Regressansprüche angemeldet würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Verordnungsfähigkeit von SSB richte sich nach der zwischen ihr und den Gesetzlichen Krankenversicherungen abgeschlossenen Vereinbarung über die vertragsärztliche Verordnung von SSB und deren Anlagen (Sprechstundenbedarfsvereinbarung [SpBV]). Die Anlage 1 liste abschließend auf, welche Mittel zu Lasten des SSB verordnungsfähig seien. Fortecortin 4 mg Tabletten enthielten den Wirkstoff Dexamethason. Bei der Fachgruppe „Chirurgie“ bestehe eine Mengenbegrenzung bei Cortikoiden auf eine N3-Packung pro Arzt und Quartal. Im Regressantrag seien insoweit 100 Tabletten berücksichtigt worden. Klean Prep diene der vollständigen Entleerung des Darms. Es werde oral angewandt. Wirkstoffe zur oralen Anwendung seien nicht als SSB gelistet.

Am 11.10.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit Beschluss vom 21.10.2015 lud das SG die A. zum Verfahren bei.

Der Kläger trug vor, unbeschadet der inhaltlichen Korrektheit der vorgenommenen Berichtigung, sei nicht die Beklagte, sondern das (Wirtschaftlichkeits-)Prüfgremium für die Richtigstellung von SSB zuständig. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 18.08.2010 (- B 6 KA 14/09 R -, in juris) darauf erkannt, dass in die Prüfzuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; hier zu Grunde zu legen in der vom 23.07.2009 bis 31.12.2010 geltenden Fassung vom 17.07.2009; im Folgenden jeweils diese Fassung) nicht nur die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen, sondern auch die Verordnungsfähigkeit der jeweiligen Gegenstände und Substanzen falle. In diesem Urteil habe sich das BSG nicht nur allgemein zur Abgrenzung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und sonstigem Schaden ge...

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