Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammentreffen von fiktiven Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung mit nachgezahlten freiwilligen Beiträgen. additive Berücksichtigung. additive Bewertung. Rentenberechnung. Rentenhöhe
Leitsatz (amtlich)
Liegen für die Zeit vom 1.3.1957 bis 29.2.1960 sowohl freiwillige Beiträge als auch nach § 247 Abs 2a SGB 6 als entrichtet geltende Pflichtbeiträge zeitgleich vor, sind beide Beiträge kumulativ bei der Ermittlung der Rentenhöhe heranzuziehen.
Orientierungssatz
Zur Berücksichtigung von fiktiven Pflichtbeiträgen für eine berufliche Ausbildung nach § 247 Abs 2a SGB 6 beim Zusammentreffen mit nachgezahlten freiwilligen Beiträgen.
Normenkette
SGB VI § 247 Abs. 2a, § 63 Abs. 1-2, § 55 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Gerichtsbescheid vom 20.07.2001; Aktenzeichen S 5 RA 1804/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2001 aufgehoben und die Bescheide der Beklagten vom 21. März 1999 (mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2000) und 6. November 2001 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger höhere Rente unter zusätzlicher Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus den nach § 247 Abs. 2a SGB VI für die Zeit vom 1. März 1957 bis 29. Februar 1960 als entrichtet geltenden Pflichtbeiträgen zu zahlen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewertung von Pflichtbeiträgen nach § 247 Abs. 2a Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) beim Zusammentreffen mit nachgezahlten freiwilligen Beiträgen.
Mit Bescheid vom 11. Juli 1977 stellte die Beklagte fest, der (... 1938 geborene) Kläger sei zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit von 1. August 1956 bis 31. Dezember 1958 berechtigt, worauf der Kläger insgesamt Beiträge in Höhe von 3.132,-- DM nachzahlte.
Im März 1999 stellte der Kläger einen Antrag auf Kontenklärung. Er legte einen Lehrvertrag für Handwerkslehrlinge vom 1. März 1957 (Maurerlehre) sowie einen Lehrbrief vom 1. März 1960 und einen Gesellenbrief vom 14. Mai 1960 vor, worauf die Beklagte die Zeit vom 1. März 1957 bis 29. Februar 1960 als fiktive Pflichtbeitragszeit für berufliche Ausbildung nach Maßgabe des (zum 1. Januar 1992 in Kraft getretenen) § 247 Abs. 2a SGB VI berücksichtigte.
Am 17. Mai 1999 beantragte der Kläger Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind, die die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 (monatlicher Zahlbetrag ab 1. Februar 2000: 2.164,55 DM) bewilligte. Für die Zeit vom 1. März 1957 bis 31. Dezember 1958 legte sie lediglich die sich aus der Nachzahlung freiwilliger Beiträge ergebenden Entgeltpunkte zugrunde.
Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers, mit dem er die additive Bewertung der Pflichtbeiträge nach § 247 Abs. 2a SGB VI und der nachgezahlten freiwilligen Beiträge geltend machte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2000 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine (additive) Berücksichtigung der Entgeltpunkte für nachgezahlte freiwillige Beiträge und für fiktive Pflichtbeiträge wegen Berufsausbildung sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Am 19. Mai 2000 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Er trug vor, die Beitrags- und Rechtsdezernenten der bayerischen LVA, der LVA Sachsen und der Beklagten hätten auf einer Sitzung im Jahr 1999 beschlossen, in Fällen der vorliegenden Art analog der Regelung über die Bewertung von mit anderen Beitragszeiten zusammentreffenden Kindererziehungszeiten zu verfahren. Die begehrte additive Bewertung sei auch deshalb geboten, weil es eine gesetzliche Regelung, wonach beim Zusammentreffen rentenrechtlicher Zeiten nur die höherwertige anzusetzen sei, nicht gebe. Die Beklagte trug vor, die bisherige Rechtsauffassung des Verbandes der Rentenversicherungsträger habe sich -- entgegen dem Vorbringen des Klägers -- nicht geändert.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2001 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger begehrte additive Berücksichtigung der Entgeltpunkte aus nachgezahlten freiwilligen Beiträgen und aus Pflichtbeitragszeiten nach § 247 Abs. 2a SGB VI sehe das Gesetz nicht vor. Die für die Bewertung von Kindererziehungszeiten geltende Regelung des § 70 Abs. 2 SGB VI sei mangels vergleichbarer Interessenlage nicht analog anwendbar. Diese Vorschrift enthalte auch kein allgemeines Prinzip des Rentenrechts, wie im Übrigen in den Regelungen des § 182 Abs. 2 SGB VI und des § 281 SGB VI verdeutlicht werde. Im Falle der Nachversicherung mit Pflichtbeiträgen zusammentreffende freiwillige Beiträge würden danach nicht additiv berücksichtigt; vielmehr sei der freiwillige Beitrag zu erstatten bzw. als Höherversicherungsbeitrag zu berücksichtigen. Schließlich...