Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Übernahme der Kosten für eine Montessori-Therapie

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Montessori-Einzeltherapie, um der Klägerin den Besuch der 1. Klasse in der Grundschule im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu erleichtern oder zu ermöglichen (hier bejaht).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Oktober 2008 wie folgt abgeändert und teilweise neugefasst:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 verurteilt, der Klägerin Kosten für die bereits durchgeführte Montessori-Therapie in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2006 in Höhe von 1.181,50 Euro zu erstatten.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer Montessori-Therapie in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2006 im Wege der Eingliederungshilfe.

Die 1998 in Vietnam geborene Klägerin kam im Alter von drei Monaten als Adoptivkind nach Deutschland. Sie besuchte zunächst den Regelkindergarten und erhielt wegen ihrer sprachlichen Schwierigkeiten seit Juni 2001 Logopädie und zusätzlich ambulante Sprachtherapie im Sprachheilzentrum R. In der Zeit vom 14. Juli 2003 bis zum Ende der Kindergartenzeit gewährte der Beklagte der Klägerin Eingliederungshilfe für eine Stunde Montessori-Einzeltherapie pro Woche zu einem Stundensatz von 38,50 € (Bescheid vom 17. März 2004 für die Zeit bis zum 31. Juli 2004; Bescheid vom 1. Juli 2004 für das Kindergartenjahr 2004/2005) Die Therapiestunden wurden von der Dipl.-Montessori-Therapeutin A. erbracht, die ihre Leistungen direkt gegenüber dem Beklagten abrechnete.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2005 beantragten die Eltern der Klägerin die Fortführung der Therapie auch über den Eintritt in die Grundschule in V, einer Regelschule, zum Schuljahr 2005/2006 hinaus bei erhöhter wöchentlicher Stundenzahl sowie durch Begleitung der Klägerin durch die Montessori-Therapeutin im Unterricht. In diesem Zusammenhang wurden dem Beklagten mehrere Unterlagen vorgelegt:

Nach einem Bericht der Fachschulrätin F. vom Sprachheilzentrum R. vom 29. September 2004 bestand bei der Klägerin eine Sprachentwicklungsverzögerung, wobei die semantische, phonetisch-phonologische Ebene und der Bereich der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung besonders betroffen seien. Auch im Bereich der Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft und des Durchhaltevermögens seien Auffälligkeiten vorhanden. Die kognitiven Leistungen lägen gerade noch im Normbereich. Die Klägerin benötige für einen erfolgreichen Schulanfang eine Umgebung, die auf Sprechen und Hören ausgerichtet sei; zudem sei auch eine intensive Lernbegleitung notwendig.

In dem Bericht von Prof. Dr. J. und Dipl.-Psych. H. von der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (Sektion Phoniatrie/Pädaudiologie) in U. vom 25. Mai 2005 wurde bei der Klägerin eine ausgeprägte Sprachentwicklungsverzögerung, rezeptiv und expressiv, sowie eine auditive Gedächtnisschwäche diagnostiziert. Die Klägerin sei nach dortiger Sicht ein Kind für die Sprachheilschule; eine Regeleinschulung könne nur unter der Maßgabe befürwortet werden, dass dort (durch eine zusätzliche Lehrkraft/Integrationskraft, durch Inselunterricht und Binnendifferenzierung) für sie eine intensive, auf ihre spezifischen Förderbedürfnisse abgestimmte Lernumgebung geschaffen werden könne. Diese solle nicht nur sonderpädagogische, sondern auch spezifisch sprachfördernde Aspekte enthalten und das Lernen auf möglichst vielen Wahrnehmungskanälen ermöglichen.

Nach dem Abschlussbericht der Dipl. Montessori-Therapeutin A. vom 4. August 2005 lagen die Schwierigkeiten bei der Klägerin im auditiven Bereich. Sie könne ihre auditive Aufmerksamkeit schwer lenken und über einen angemessenen Zeitraum aufrechterhalten. Infolge einer stark eingeschränkten Hörmerkspanne verstehe sie nur kurze Arbeitsaufträge im konkreten Handlungsrahmen. Dies bedeute, dass sie zur Aufnahme und Verarbeitung von Inhalten Unterstützung durch konkretes Material und Visualisierungsangebote benötige und die anderen Sinne und auch Bewegung zur Unterstützung und Kompensation ihrer auditiven Probleme einsetzen können müsse. Die systematische Arbeitsweise nach Montessori-Prinzipien und das strukturierte Montessori-Material seien für sie eine wichtige Hilfe im Lernprozess. In dem zugleich erstellten “Förderplan„ wurde eine weitere systematische Förderung nach Montessori-Prinzipien empfohlen. Das Angebot der Montessori-Therapie werde gezielt auf den Aufbau der auditiven Wahrnehmungsleistung abgestimmt.

Nach der ärztlichen Beurteilung von Obermedizinalrat Dr. M. vom Gesundheitsamt des Beklagten vom 30. August 2005 lag bei der Klägerin vor diesem Hintergrund ein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge