Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Berücksichtigung eines der Besteuerung unterliegenden Veräußerungsgewinns bei Betriebsaufgabe
Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung der Beiträge eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten ist auch ein der Besteuerung unterliegender Veräußerungsgewinn bei Betriebsaufgabe heranzuziehen. Es handelt sich dabei um eine Einnahme, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden kann.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.01.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob steuerliche Veräußerungsgewinne bei Aufgabe des Gewerbebetriebs beitragspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind.
Der 1946 geborene Kläger war bei der Beklagten zu 1) als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig krankenversichert, er betrieb eine Gaststätte. Im Jahr 2012 gab der Kläger den Betrieb aufgrund seines Alters auf, er ist weiterhin bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert in der Pflegeversicherung. Mit Einkommenssteuerbescheid vom 26.02.2014 für das Jahr 2012 setzte das Finanzamt S. H. als Besteuerungsgrundlagen ua Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 80.041 € fest (als Einzelunternehmer 25.392 €, aus Veräußerungsgewinnen 99.649 € abzüglich steuerfrei bleibender Veräußerungsgewinne von 45.000 €). Daneben hatte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte (Renten, Kapitalerträge).
Nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 25.03.2014 ab 01.03.2014 auf 686,48 € fest (603,45 € KV, 83,03 € PV) unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze für 2014 (4.050 €).
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 54.649 € seien als steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nicht beitragspflichtig. Er habe aus Altersgründen den Betrieb seiner Gaststätte aufgegeben und die Betriebsgegenstände entnommen. Keiner dieser Gegenstände sei veräußert worden, es handele sich nur um eine Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen. Ein Geldzufluss habe nicht stattgefunden.
Mit einem mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Schreiben vom 13.05.2014 machte die Beklagte zu 1) nochmals Ausführungen zur Rechtslage und bestätigte die mit Bescheid vom 25.03.2014 getroffene Beitragsfestsetzung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2015 wies die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - sodann den Widerspruch zurück. Für freiwillige Mitglieder sei bei der Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen (§ 240 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V). In den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) sei geregelt, dass ua Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen seien. Ab Beginn des auf die Ausfertigung des Steuerbescheids folgenden Monats (01.03.2014) seien die höheren Einkünfte zu berücksichtigen. Für die Verbeitragung von Veräußerungsgewinnen gelte § 5 Abs 3 BeitrVerfGrsSz. Danach seien die beitragspflichtigen Einnahmen mit einem Zwölftel des Betrags für 12 Monate zuzuordnen. Im Steuerbescheid für 2012 würden Veräußerungsgewinne iHv 54.649 € nachgewiesen. Diese Werte seien bei der Betriebsaufgabe in das private Vermögen des Klägers übergegangen und deshalb auch steuerlich veranlagt worden, es handele sich um eine Zunahme des Privatvermögens. Die Generalklausel sei zur Erfassung dieser Einnahmen ausreichend, eine konkretisierende Satzungsregelung sei nicht erforderlich.
Mit Wirkung ab 01.03.2015 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge neu fest auf einer Bemessungsgrundlage von 3.025,71 € unter Berücksichtigung des Einkommenssteuerbescheids für 2013.
Am 13.05.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Gerade bei mittelständischen Handwerksbetrieben sei die Betriebsaufgabe die weitaus häufigere Beendigungsform als die tatsächliche Betriebsveräußerung. Demgemäß hätte der Spitzenverband, wenn er die Betriebsaufgabe der Beitragspflicht hätte unterwerfen wollen, diese in den Katalog mit aufgenommen. Da es sich lediglich um eine steuerliche Fiktion als Veräußerungsgewinn im Rahmen des § 16 Einkommenssteuergesetz (EStG) handele und keinerlei Zahlungsströme oder Einnahmen flössen, seien die Betriebsaufgabengewinne auch nicht katalogisiert.
Die Beklagte zu 1) ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass ein tatsächlicher Geldzufluss unerheblich sei. Maßgeblich sei die steuerrechtliche Betra...