Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Arbeitslosengeld. Minderung des Anspruchs. Verspätete Meldung als arbeitssuchend. Obliegenheitsverletzung. Subjektiver Sorgfaltsmaßstab
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Obliegenheitsverletzung für den Fall, dass sich der Arbeitslose nicht unverzüglich arbeitssuchend meldet, kann nur dann zu einer Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen, wenn den Arbeitslosen ein Verschulden an der verspäteten Meldung trifft.
2. Das nach §§ 37b, 140 SGB III erforderliche Verschulden ist nach einem subjektiven Sorgfaltsmaßstab zu beurteilen.
Normenkette
SGB III §§ 37b, 140; BGB § 121
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Gerichtsbescheid vom 13.05.2004) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.05.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) wegen verspäteter Meldung.
Der 1946 geborene und verheiratete Kläger war vom 1.5.1996 bis 31.10.2003 als Kraftfahrer bei der Firma H.… M.… Internationale Spedition GmbH in E.… beschäftigt. In der Zeit vom 1.7.2003 bis 26.8.2003 bezog der Kläger Krankengeld bzw. Übergangsgeld (kalendertäglich 62,23 €). Sein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt betrug vom 1.11.2002 bis 30.6.2003 15.116,00 € und vom 27.8.2003 bis 31.10.2003 3.988 €. Auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2003 waren die Steuerklasse III und keine Kinderfreibeträge eingetragen.
Am 30.9.2003 wurde ihm vom Prokuristen seines Arbeitgebers, dem Zeugen F.…, das Kündigungsschreiben vom 29.9.2003 ausgehändigt, mit dem das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2003 gekündigt wurde. Dabei wurde der Kläger vom Zeugen F.… aufgefordert, sich sofort beim Arbeitsamt zu melden. Begründet wurde diese Aufforderung vom Zeugen gegenüber dem Kläger damit, dass er, der Zeuge, so schnell wie möglich die Arbeitsbescheinigung ausfüllen wolle. Hintergrund war die Sorge des Zeugen, der Kläger möge die ihm zustehenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zeitnah erhalten. Weder dem Zeugen noch dem Kläger waren die Regelungen über die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche und die entsprechenden Sanktionen bekannt. Nachdem der Kläger in der Zeit vom 1.11.2003 bis 15.11.2003 arbeitsunfähig krank war, meldete er sich am 17.11.2003 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg.
Mit Bescheid vom 4.12.2003 bewilligte die Beklagte Alg ab 17.11.2003 in Höhe von wöchentlich 200,27 € (wöchentliches Bemessungsentgelt 434,40 €). Mit gesondertem Schreiben vom 3.12.2003 zum Bewilligungsbescheid teilte die Beklagte mit, er sei nach § 37b SGB III verpflichtet gewesen, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, sobald er den Zeitpunkt der Beendigung seines Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Er habe sich spätestens am 9.10.2003 beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 17.11.2003 gemeldet. Die Meldung sei somit um 39 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich sein Anspruch auf Leistungen um 35 € für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). In seinem Fall ergebe sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von 1.050 €. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde, d. h., ihm werde bis zur vollständigen Minderung des Betrages nur die Hälfte der ohne die Minderung zustehenden Leistungen ausgezahlt. Die Höhe des Abzugs von der täglichen Leistung betrage 14,28 €. Die Anrechnung beginne am 17.11.2003 und sei voraussichtlich ab dem 29.1.2004 beendet. Für den letzten Tag der Minderung erfolge die Anrechnung ggf. nur noch in Höhe des noch verbleibenden Restbetrages der Minderungssumme.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch: Er sei vom 1.11.2003 bis 15.11.2003 arbeitsunfähig krank gewesen. Er habe sich somit erst nach der Krankheit beim Arbeitsamt melden können. Er habe nicht gewusst – und der Arbeitgeber habe ihm auch nichts gesagt –, dass er sich nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsamt persönlich melden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei durch die am 29.9.2003 ausgesprochene Kündigung beendet worden, die in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 2 SGB X als am 2.10.2003 zugegangen gelte. Die Unverzüglichkeit der Meldung werde vom Arbeitsamt nur anerkannt, wenn sie spätestens am siebten Kalendertag ab dem Tag nach Beginn der Meldepflicht vorgenommen werde. Die Meldung wäre also unverzüglich erfolgt, wenn sie bis spätestens 9.10.2003 erfolgt wäre. Der Kläger habe sich aber erst am 17.11.2003, und damit nicht unverzüglich, persönlich beim Arbeitsamt gemeldet. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Er habe nicht dargetan und glaubhaft nac...