Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen. Anrechnung schwerbehinderter Arbeitgeber bzw Arbeitnehmer auf Pflichtarbeitsplatz. Ausgleichsabgabe des Arbeitgebers. schwerbehinderter Fremdgeschäftsführer einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
Die Organstellung eines Geschäftsführers einer GmbH hindert nicht grundsätzlich bei entsprechender Vertragsgestaltung von einem Arbeitsverhältnis iS des § 73 Abs 1 SGB 9 auszugehen. Der schwerbehinderte Fremdgeschäftsführer einer GmbH, der zwar hinsichtlich anderer Beschäftigter Arbeitgeberaufgaben erfüllt, aber in der konkreten Ausgestaltung seiner Tätigkeit gleichwohl abhängig fremdbestimmte Arbeit leistet, hat einen auf die Pflichtarbeitsplätze anrechenbaren Arbeitsplatz als Arbeitnehmer nach § 73 Abs 1 SGB 9 inne.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beiden schwerbehinderten Geschäftsführer der Klägerin jeweils auf einen Pflichtarbeitsplatz im Sinne des § 75 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) anzurechnen sind.
Die Klägerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in H., betreibt ein Unternehmen, das sich die Förderung selbstbestimmter Lebensführung von Menschen, die persönliche Hilfeleistung benötigen, zum Ziel gesetzt hat. Dieses Ziel soll u.a. durch die Bereitstellung und Organisation eines ambulanten sozialen Pflege- und Hilfsdienstes erreicht werden. Gesellschafter der Klägerin sind das P. B. B. e. V. in F. und die Individualhilfe für Schwerbehinderte e. V. in H. Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin sind seit 01.07.1999 die Dipl. S. (FH) I. S.-K. und der Dipl. S. W. R. Nach den im Wesentlichen gleichlautenden Dienstverträgen zwischen der Klägerin und den genannten Geschäftsführern vom 30.06.1999, in dem letztere als “Arbeitnehmer(in) und Geschäftsführer(in)„ bezeichnet worden sind, ist ein Monatsbruttogehalt in Anlehnung an den BAT, Vergütungsgruppe III, Stufe 11 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden (Geschäftsführerin S.-K.) bzw. 30 Stunden (Geschäftsführer R.) vereinbart worden. Ferner enthalten die Dienstverträge weitere Regelungen (z. B. hinsichtlich der Weiterzahlung des Gehalts im Krankheitsfall für sechs Wochen und des Urlaubsanspruchs von 35 Arbeitstagen einschließlich fünf Tage Zusatzurlaub als Schwerbehinderte).
Mit Schreiben vom 02.05.2006 beantragte die Klägerin die Anrechnung ihrer beiden schwerbehinderten Geschäftsführer, die keine Gesellschaftsanteile inne hätten, jeweils auf einen Pflichtarbeitsplatz nach § 75 Abs. 3 SGB IX. Ihre beiden Geschäftsführer I. S.-K. und W. R. stünden in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, da sie funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Klägerin teilnähmen, für ihre Geschäftsführertätigkeit ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhielten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft geltend machen könnten. Ihnen könnten über die gesellschaftsrechtlichen Weisungsverhältnisse hinaus auch typische arbeitsrechtliche Weisungen erteilt werden. Ferner bestehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Mit Bescheid vom 26.07.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Als Geschäftsführer einer GmbH seien sie vertretungsberechtigte Organmitglieder einer juristischen Person und damit nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX beschäftigt. Eine Anrechnung auf einen Pflichtarbeitsplatz sei daher nicht möglich.
Dagegen legte die Klägerin unter Wiederholung der nach ihren Angaben auf die Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung Bund zurückgehenden Antragsbegründung Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die schwerbehinderten Geschäftsführer der Klägerin seien nicht auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen anzurechnen, da sie weder Arbeitgeber noch auf einem Arbeitsplatz im Sinne des SGB IX beschäftigt seien. Nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12.12.1997 - 24 A 4419/95) nehme der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ohne eigene Gesellschafterstellung keinen Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschriften ein. Dem stehe eine auf anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem Sozialversicherungsrecht und Arbeitsrecht, möglicherweise gebotene andere Beurteilung nicht entgegen. Durch die Privilegierung von schwerbehinderten Arbeitgebern (natürliche Personen) sei auch der allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt worden.
Am 21.08.2007 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG), mit der sie an ihrem Ziel festhielt. Sie machte geltend, ihre beiden schwerbehinderten Geschäftsführer S.-K. und R. seien auf Pflichtplätze gemäß § 75 SGB IX anzurechnen. Diese seien nicht Gesellschafter und hätten daher keinerlei Einfluss auf die Gesellschaft. Vielmehr seien sie weisu...