Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Riss der Supraspinatussehne. unfallmedizinische Literatur. Weiterarbeit bei einer Tätigkeit als Werksfahrer
Leitsatz (amtlich)
Ablehnung der Anerkennung eines Risses der Supraspinatussehne als Unfallfolge, da die Rotatorenmanschette bei einem direkten Sturz auf die Schulter grundsätzlich nicht geschädigt werden kann; Weiterarbeit bei einer Tätigkeit als Werksfahrer als weiteres Ablehnungskriterium.
Orientierungssatz
Zur Beurteilung eines Rotatorenmanschettenschadens sind die gesamten Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Dazu gehört ua die Vorgeschichte, der Unfallmechanismus, der Verlauf der Erkrankung sowie die radiologisch-bildgebenden, histologischen und intraoperativen Befunde.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Riss der Supraspinatussehne der rechten Schulter Folge des Arbeitsunfalles vom 17.02.2018 ist.
Der am 20.11.1958 geborene Kläger ist als Werksfahrer bei der A. H. KG beschäftigt. Am 17.02.2018 rutschte er auf dem Weg vom Firmenparkplatz zur Firmengarage aus und stürzte auf die rechte Schulter. Er unternahm im Anschluss noch eine Betriebsfahrt zum Flughafen Z. und zurück. Der Arbeitgeber des Klägers zeigte mit Unfallanzeige vom 19.02.2018 (Bl. 1 der Verwaltungsakte) den Unfall bei der Beklagten an. Am 19.02.2018 suchte er den Unfallchirurgen Dr. Sch. auf, welcher im Durchgangsarztbericht vom 19.02.2018 eine Schulterprellung rechts und eine fragliche Fraktur im Bereich des Tuberculum majus humeri rechts diagnostizierte (Bl.48 der Verwaltungsakte).
Dr. Sch. veranlasste eine CT-Untersuchung der Schulter (radiologischer Befundbericht von Dr. T. vom 22.02.2018, Befund: kein Hinweis auf eine Fraktur, Bl. 2 der Verwaltungsakte) sowie eine Magnetresonanztomographie der rechten Schulter (radiologischer Befundbericht von Dr. K. vom 12.03.2018, Beurteilung: Nachweis eines subacromialen Impingementsyndroms bei Acromiontyp II, Nachweis einer Komplettruptur der Supraspinatussehne über die gesamte Breite mit Retraktion der Sehne auf Höhe des Humeruskopfes Grad II nach Patte, Nachweis einer kleinen intratendinösen Teilruptur der Subscapularissehne mit regelrechter Darstellbarkeit der langen Bizepssehne im Sulcus intertubercularis sowie durch das Rotatorenmanschettenintervall an den Bizepsanker, Bl. 8 der Verwaltungsakte).
Dr. Sch. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 16.03.2018 mit, dass er aufgrund des Unfallherganges und weil in der MRT-Untersuchung keine wesentlichen degenerativen Vorschäden zu erkennen seien, die Ruptur als Unfallfolge bewerte. Die Krankmeldung dauere bis vom 19.02. bis zum 16.03.2018 (Bl. 12 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte übersandte dem Kläger einen Fragebogen, in welchem dieser am 14.04.2018 Angaben zum Unfallhergang machte (Bl. 37 bis 39 der Verwaltungsakte).
Der Radiologe Prof. Dr. D. kam in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.04.2018 zum Ergebnis, dass eine ausgeprägte aktivierte mäßig hypertrophe Arthrose des AC-Gelenkes, eine Schädigung der Rotatorenmanschette, insbesondere subtotale Ruptur der Supraspinatussehne und ein ausgeprägter Gelenkerguss und Bursitiden bestünden. Die Flüssigkeitsansammlungen in der Umgebung der rupturierten Supraspinatussehne seien aufgrund ihrer Ausprägungen in der Gesamtschau der Schäden als verletzungsspezifische Begleitverletzungen zu werten. Aus diesem Grund und aufgrund der fehlenden muskulären Atrophie sei das Ausmaß des Supraspinatusschadens zeitlich plausibel dem Unfallereignis vom 17.02.2018 zuzuordnen. Aufgrund der vorbestehenden knöchernen AC-Arthrose sei jedoch von einem Vorschaden auszugehen, der anhand der vorliegenden Untersuchung nicht einzustufen sei (Bl. 45 Rückseite Verwaltungsakte).
Die Beklagte zog weitere Befundberichte (Nachschaubericht vom 13.04.2018 von Dr. Sch., Bl.53 der Verwaltungsakte; Zwischenbericht vom 06.04.2018 der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. über die ambulante Behandlung vom 22.03.2018, Bl.57 bis 58 der Verwaltungsakte) und ein Vorerkrankungsverzeichnis der zuständigen Krankenkasse bei (Bl. 71 bis 73 der Verwaltungsakte).
Dr. F. führte in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.06.2018 (Bl. 85 Rückseite der Verwaltungsakte) aus, dass ein so vollständiger Riss zu weitgehenden Lähmungserscheinungen des Armes führen müsse. Bei der Erstuntersuchung hätten sich lokale Anprallveränderungen unterhalb des Oberarmkopfes gezeigt, was für eine tiefere Kontusion spreche. Der Verletzungsmechanismus stehe eindeutig entgegen, so dass die Supraspinatussehnenruptur eindeutig als unfallunabhängig anzusehen sei.
Die Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 13.06.2018 (Bl. 86 bis 88 der Verwaltungsakte) den Unfall vom 17.02.2018 als Arbeitsunfall. Folge des Arbeitsunfalles sei ...