Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Honorarkürzung. Hinweis. gezielte Beratung. Vorrangigkeit des statistischen Kostenvergleichs. Vergleichsgruppe. geringe Fallzahl. Praxisbesonderheit. Schätzung des Mehraufwandes durch Prüfgremium (hier: Beschwerdeausschuß)
Orientierungssatz
1. Eine Kürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise setzt nicht voraus, daß dem Arzt zuvor ein Hinweis erteilt worden oder eine gezielte Beratung vorausgegangen ist (vgl BSG vom 19.6.1996 - 6 RKa 40/95 = SozR 3-2500 § 106 Nr 37).
2. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist der den statistischen Kostenvergleich gegenüber einer Einzelfallprüfung vorrangig (vgl BSG vom 15.11.1995 - 6 RKa 43/94 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33).
3. Eine gewählte Vergleichsgruppe ist ausreichend groß als statistische Basis für den durchzuführenden Vergleich, wenn sie im streitigen Quartal 1.412 Ärzte umfaßte. Einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise anhand eines statistischen Kostenvergleiches steht auch die gegenüber der Fachgruppe geringe Fallzahl eines Vertragsarztes nicht entgegen.
4. Der Umstand, daß ein Vertragsarzt selbst physikalisch-medizinische Leistungen erbringt, während andere Ärzte der vom Beklagten herangezogenen Vergleichsgruppe hierzu Überweisungen veranlassen, muß der Beschwerdeausschuß nicht gesondert Berücksichtigen, wenn er einen Vergleich auf der Ebene des Gesamtfallwertes vorgenommen hat.
5. Es ist nicht zu beanstanden, wann der Beschwerdeausschuß für die Schätzung eines Mehraufwandes sich an den Fallwerten der Fachgruppe orientiert, in deren Gebiet die entsprechenden Behandlungen nach den berufsrechtlichen Vorschriften fallen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Honoraranforderung der Primärkassenabrechnung 1/92 wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise.
Der Kläger ist seit Februar 1991 als Allgemeinarzt in E. niedergelassen und zur kassenärztlichen (heute einheitlich vertragsärztlichen) Versorgung zugelassen. Er führt die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie". Er besitzt zudem eine Weiterbildung als Gynäkologe.
Im Quartal 1/92 behandelte der Kläger 364 Primärkassenpatienten, davon 139 Rentner (Fachgruppe: 842 Primärkassenpatienten, davon 239 Rentner). Die durchschnittliche Honoraranforderung je Fall betrug 2.193,6 Punkte (Fachgruppe nach Rentneranteil gewichtet: 890 Punkte) bei einer einfachen Standardabweichung von 210,3 Punkten.
Die Beigeladene Nr. 1 beantragte mit Schreiben vom 13.07.1992 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers. Dieser Antrag wurde dem Kläger mit Bitte um Stellungnahme zugeleitet.
Der Prüfungsausschluß beschloß in seiner Sitzung am 11.11.1992, die Honoraranforderung des Klägers für die Primärkassenabrechnung 1/92 in Höhe von 798.460 Punkten um 244.860 Punkte auf 553.600 Punkte zu vermindern (Bescheid vom 07.01.1993). Die Kürzung entspricht einer Streichung des Gesamthonorars auf eine Überschreitung von 3,0 S.
Die Werte ergeben sich aus folgender Übersicht:
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Fallwert in DM |
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Kürzung |
Fachgruppe Arzt |
Abweichung |
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vor nach |
vor nach |
Gesamthonorar |
auf + 3,0 S |
890,0 2193,6 1520,9 |
+6,2 S 3,0 S |
Der Kläger erhob Widerspruch und verwies auf seine bereits im vorangegangenen Verfahren geltend gemachten und in einer Stellungnahme zum Prüfantrag nochmals aufgezählten Praxisbesonderheiten.
Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte in seiner Sitzung am 10.03.1993 zurück (Bescheid vom 22.03.1993). Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Honorarabrechnung sei auf der Grundlage des statistischen Vergleiches mit der Fachgruppe der Allgemeinärzte/praktischen Ärzte unter Verwendung der für das Abrechnungsquartal ermittelten Vergleichswerte geprüft worden. Dieser Fachgruppe gehörten im Quartal 1/92 1.412 Ärzte an. Diese Anzahl sei ebenso wie die Fallzahlen ausreichend groß zur Bildung von Durchschnittszahlen. Die Überschreitung des Vergleichswerts der Fachgruppe liege bei dem als unwirtschaftlich beanstandeten Gesamthonorar im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses. Der überdurchschnittliche Rentneranteil (38,2 % gegenüber 28,4 % bei der Fachgruppe) sei bereits durch eine entsprechende Gewichtung des Fachgruppendurchschnittswertes in den statistischen Vergleich eingeflossen. Im Bereich der Arzneikosten überschreite der Kläger mit durchschnittlich DM 148,21 pro Fall den mit seinem Rentneranteil gewichteten Fachgruppendurchschnittswert in Höhe von DM 143,63 um plus 3 %. Einsparungen auf dem Arzneikostensektor seien somit nicht gegeben. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde zunächst vollinhaltlich auf die Ausführungen im Beschluß zu den Abrechnungen der Vorquartale 2/91 bis 4/91 (Beschluß vom 01.12.1992) verwiesen. Hinsichtlich der gynäkologischen Tätigkeit sowie der chirotherapeutischen und im Rahmen orthopädischer Erkrankungen auch schmerztherapeutischen Tätigkeit des Klägers würden die zu den Abrechnungen der Vorquartale entwickelten Schätzungen bzw. Berechnungen zur Quantifizierungen des Mehraufwandes zugrundegelegt. Unter Berücksichtigung der Abrech...