Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Nachteilsausgleich. Merkzeichen aG. Parkvergünstigung. zumutbare Wegstrecke. unter 100 m. Miteinbeziehung von Teilstrecken mit Pause bzw Pausen

 

Orientierungssatz

1. Das Merkzeichen "aG" soll es demjenigen, dessen Geh- und Fortbewegungsfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist, ermöglichen, möglichst nahe mit seinem PKW an sein Ziel heranzufahren und damit die unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich zu verkürzen. Es sollen somit Sonderparkplätze in der Nähe von Behörden und Kliniken und die Parksonderrechte vor Wohnungen und der Arbeitsstätte denjenigen Schwerbehinderten vorbehalten bleiben, denen nur noch Wegstrecken zumutbar sind, die von diesen Sonderparkplätzen aus üblicherweise bis zum Erreichen des Eingangs des Gebäudes zurückzulegen sind. Diese Wegstrecken über Straßen und Gehwege in die Eingangsbereiche der genannten Gebäude hinein liegen regelmäßig unter 100 Metern.

2. Führt der Kläger an, dass seine freie Gehstrecke bis zu 50 m betrage und er dann eine Pause einlegen müsse, und kann der Kläger nach der Pause aber wieder weitergehen, steht ihm das Merkzeichen "aG" nicht zu. Denn insoweit ist auf die insgesamt noch zurücklegbare Strecke gegebenenfalls auch mit Pausen abzustellen.

 

Normenkette

StVO § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 11; SGB IX § 69 Abs. 4; StVOVwV § 46 Nr. 11 Abschn. II Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Ulm (Urteil vom 22.01.2001; Aktenzeichen S 4 SB 1210/00)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich (NTA) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.

Bei dem ... 1948 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt U (VA) mit Ausführungsbescheid vom 03.05.1996 ab 15.04.1994 mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 als Behinderungen:

"Schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes. (Teil-GdB 40)

Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit Folgeerscheinungen. (Teil-GdB 20)

Bewegungsbehinderung im linken Hüft- und Sprunggelenk." (Teil-GdB 10)

sowie ferner mit Bescheid vom 04.05.1996 das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest. Grundlage hierfür war das im Verfahren S 4 Vs 1829/94 vor dem Sozialgericht Ulm (SG) abgegebene Anerkenntnis des Beklagten, das der Kläger angenommen hatte.

Im Oktober 1997 leitete das VA von Amts wegen ein Neufeststellungsverfahren ein.

Der Kläger teilte daraufhin unter Beifügung eines ärztlichen Attestes des Orthopäden Dr. K, wonach er unter einem wackelsteifen Kniegelenk, einer chronischen Lumboischialgie und bedingt durch die Überlastung durch die Unterarmgehstützen an einer chronischen Epicondylitis radialis beidseits leidet und ihm ohne Gehstützen ein freies Gehen vollkommen unmöglich ist, mit, dass eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes nicht eingetreten sei. Bei ihm bestehe nunmehr zusätzlich eine radiale Epicondylopathie beider Ellenbogengelenke im Sinne einer Ansatztendinose sowie eine Scheuermann'sche Aufbaustörung der Brustwirbelsäule, weshalb er die Erhöhung seines GdB's beantrage.

Das VA zog daraufhin einen Befundbericht des Dr. K bei. Dr. K teilte mit, der Kläger leide unter einer postoperativen Kniesteife nach mehrfachen Voroperationen und Infekt bei einer Beweglichkeit des linken Kniegelenkes zwischen 0/10/70°, außerdem bestehe ein massives retropatellares Reiben und ein ausgeprägter Bewegungsschmerz. Daneben liege beim Kläger eine Lumboischialgie, ein HWS-Syndrom sowie eine chronische Epicondylitis radialis beidseits mit typischem Druckschmerz über dem Epicondylus radialis bei Supination nach distal ausstrahlend vor, wobei rezidivierend auftretenden Schmerzen immer wieder mit Corticoidinjektionen behandelt werden müssten. Das Gangbild des Klägers, der immer auf zwei Unterarmgehstützen angewiesen sei, sei hinkend bei nicht seitengleicher Schrittgröße. Die freie Gehstrecke sei geringer als 50 m, dann müsse der Kläger eine Pause einlegen.

Hierzu führte Dr. Z in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme aus, dass beim Kläger keine Änderung im Behinderungszustand eingetreten sei, die Epicondylitis radialis beidseits bedinge keinen GdB von wenigstens 10.

Mit Bescheid vom 26.05.1998 lehnte das VA daraufhin den Neufeststellungsantrag ab.

Der Kläger erhob hiergegen insbesondere wegen der Beschwerden im Bereich der Ellenbogengelenke Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Zuerkennung des Merkzeichens "aG".

Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S gab der Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.1998 dem Widerspruch des Klägers insoweit statt, als als weitere Behinderung eine

"Belastbarkeitsminderung der Arme bei Epicondylitis" (Teil-GdB 20)

anerkannt und der GdB ab 16.03.1998 auf 60 erhöht wurde, im übrigen wurde dem Widerspruch nicht stattgegeben.

Im nachfolgenden Klageverfahren (SG -- S 4 SB 2346/98 --) wurde eine sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. K eingeholt. Mit Urteil vom 27.03.2000 wurde die Klage abgew...

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