Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Buchhalterin. zeitweilige Delegierung der Tätigkeit an eigene Beschäftigte oder beauftragte Selbstständige. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Das zeitweilige Delegieren der Tätigkeit an eigene Beschäftigte oder beauftragte Selbstständige führt, wenn im Übrigen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien überwiegen, nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitgegenstand ist die im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der B. H. Versandservice GmbH (im Folgenden: Beigeladene zu 1)) gegenüber der Klägerin getroffene Feststellung, diese sei seit dem 1. Januar 2005 als Buchhalterin versicherungspflichtig zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Die Klägerin ist gelernte Wirtschaftsassistentin, Industriekauffrau und Bilanzbuchhalterin. Sie hat vier in den Jahren 1990, 2000, 2004 und 2006 geborene Kinder. Seit 1. Dezember 1993 hat sie ein Gewerbe Büroservice angemeldet. Bis Ende März 2001 war sie bei der Beigeladenen zu 1) als Buchhalterin/Lohnbuchhalterin in Teilzeit (20 Stunden wöchentlich) abhängig beschäftigt. Am 15. Dezember 2001 mietete sie einen 9 m² großen Büroraum unter ihrer Wohnanschrift von ihrem Ehemann zu einer monatlichen Miete von € 87,64 einschließlich Nebenkosten ab 1. Januar 2002 an. Außerdem ist sie Autorin des Buches “Zeitfalle Kind„, das sie selbst vermarktet. Sie ist freiwillig versichertes Mitglied bei der zu 2) beigeladenen Krankenkasse.
Während ihrer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) und noch im Anschluss bis 2004 hatte die Klägerin mehrere andere Auftraggeber. Bei der Beigeladenen zu 1) erledigte sie dieselben Aufgaben wie zuvor. Als abhängig Beschäftigte erledigte sie diese allein mit einem Auszubildenden. Aufgrund familiärer Verpflichtungen beendete sie die übrigen Auftragsverhältnisse 2004 und schränkte auch ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) von zuvor 20 auf nunmehr noch 15 bis 16 Stunden wöchentlich ein. Die von ihr abgegebenen Aufgaben, z.B. Zahlungserinnerungen, Mahnungen, erledigt seitdem ein bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigter Bürokaufmann, der ihr insoweit zuarbeitet. Zwei- bis dreimal pro Woche - je nach Arbeitsanfall - arbeitet die Klägerin in den Geschäftsräumen der Beigeladenen zu 1) jeweils von ca. 9.00 Uhr/9.30 Uhr bis 12 Uhr. Dort tauscht sie Belege und Unterlagen aus, bespricht Änderungen und Sonderfälle, besonders im Personalbereich, und erledigt besonders dringende Angelegenheiten. Sie nutzt dort das auf den Betrieb abgestimmte Lexware-Buchhaltungsprogramm in der jeweils aktuellen Version, über das sie selbst nicht verfügt. Mit der Beigeladenen zu 1) rechnet sie vereinbarungsgemäß meist einen monatlichen Pauschalbetrag von € 1.500,00 ab. Je nach Arbeitsanfall liegen die Rechnungssummen darüber oder darunter. Abweichende Beträge werden bei Mutterschutz, Urlaub o.ä., oder bei höherem Arbeitsanfall, z.B. wegen Prüfungen durch das Finanzamt, in Rechnung gestellt. Die Rechnungen stellt sie meist zu Anfang des jeweiligen Monats, jedenfalls weit überwiegend in der ersten Hälfte des Monats. Die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) machte bis 2004 ca. 88 % des Gesamtumsatzes der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin aus, 2005 97,5 %, 2006 100 %, 2007 bis 2008 99 %. 2009 akquirierte sie einen neuen Auftraggeber und erledigt seitdem zusätzlich die Buchhaltung ihres Ehemannes, der neben einer abhängigen Beschäftigung in Vollzeit nebenberuflich eine Landwirtschaft betreibt. Die Klägerin beschäftigte vom 13. Februar bis 31. März 2006 D. K. (im Folgenden: K.) versicherungspflichtig und C. S. (im Folgenden: S.) vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2005 geringfügig und vom 1. Juli 2007 bis 31. Oktober 2008 im Haushaltsscheckverfahren, anfänglich mit Bürotätigkeiten, anschließend im Haushalt. Im II. und III. Quartal 2008 beauftragte sie den H. Buchhaltungs- und Büroservice mit Buchhaltungsarbeiten für die Beigeladene zu 1), der ihr am 24. September 2008 für 7,5 Stunden € 225,00 zzgl. MWSt. und am 3. Oktober 2008 für sechs Stunden € 240,00 zzgl. MWSt. in Rechnung stellte.
Die Beklagte führte bei der Beigeladenen zu 1) am 3. und 4. März 2005 eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2004 durch. Mit Bescheid vom 27. April 2005 forderte die Beklagte von der Beigeladenen zu 1) Beiträge aufgrund von Beanstandungen betreffend Beschäftigte in der Gleitzone und bei Kurzarbeit nach und erstattete zu viel entrichtete Beiträge für vermögenswirksame Leistungen während Krankengeldbezuges. Der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin ist nicht Gegenstand des Betrieb...