Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. haftungsausfüllende Kausalität. Anlageleiden. Schadensanteil. Konkurrenzursache. Alles-oder-Nichts-Prinzip
Orientierungssatz
Ergibt sich, dass der Gesundheitsschaden rechtlich wesentlich (hinreichend wahrscheinlich) sowohl auf die Krankheitsanlage wie auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist, so gilt, sofern man anlagebedingte und unfallbedingte Schadensanteile nicht abgrenzen kann, das sogenannte "Alles-oder-Nichts-Prinzip". Der Gesundheitsschaden ist dann (vorbehaltlich der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen, wie einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung) durch die Unfallversicherung zu entschädigen. Tritt der Arbeitsunfall jedoch gegenüber der - zum nicht versicherten privaten Lebensrisiko gehörenden - Krankheitsanlage deutlich in den Hintergrund, so hat er keinen rechtlich wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet und es entstehen keine Entschädigungsansprüche gegen die gesetzliche Unfallversicherung.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls.
Der ... 1962 geborene Kläger (gelernter Kfz-Mechaniker; als Schwerbehinderter anerkannt, GdB 80 u.a. wegen Sehbehinderung) arbeitete als Aushilfskraft (Aushilfsfahrer) bei einer Spedition. Am 9. Juni 1994 erlitt er einen Arbeitsunfall. Beim Beladen eines LKW blieb er mit dem rechten Fuß in einem Loch auf der Ladefläche hängen, fiel gegen ein Drahtseil, wobei er sich an der Nase verletzte, und stürzte sodann nach hinten auf den Hinterkopf. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. L (Unfallchirurg, Stadtkrankenhaus M) diagnostizierte eine Platzwunde über der Nasenwurzel, eine Schädelprellung, commotio cerebri (Bericht vom 10. Juni 1994) sowie ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit Distorsion (Dr. F, Facharzt für Chirurgie, Bericht vom 06. Juli 1994). Am 1. Juli 1994 wurde der Kläger als ab 3. Juli 1994 arbeitsfähig aus der ambulanten Behandlung entlassen; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Dr. F (Chirurg) auf 0 v.H. (Mitteilung vom 1. Juli 1994). Im neurologischen Befundbericht des Dr. J vom 1. Juli 1994 heißt es, der Kläger habe eine kurze initiale Amnesie bei dem Unfall angegeben; aus neurologischer Sicht sei er einige Tage arbeitsunfähig gewesen.
Das (letzte) Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch gerichtlichen Vergleich mit seinem Arbeitgeber vom 14. Juli 1995 aufgrund ordentlicher krankheitsbedingter Kündigung des Arbeitgebers zum 31. Dezember 1994 beendet, nachdem der Kläger bereits im November und Dezember 1994 nicht mehr gearbeitet hatte. In der Folgezeit bezog der Kläger zunächst Arbeitslosen- und sodann Krankengeld. Eine im Jahr 1999 vom Arbeitsamt A durchgeführte Berufsfindungsmaßnahme musste vorzeitig beendet werden.
Nachdem der Kläger seine Arbeit am 4. Juli 1994 zunächst wieder aufgenommen hatte, stellte er sich erneut bei Dr. F vor und klagte über Schmerzen mit Ausstrahlung in beide Arme und Kribbelgefühl sowie über Schmerzen am Hinterkopf. Dr. F diagnostizierte einen Zustand nach Distorsion der Halswirbelsäule als Folge eines Schleudertraumas und verordnete nach Abklingen der akuten Beschwerden krankengymnastische Übungen (Bericht vom 6. Juli 1994).
Auf die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 11. Juli 1994 leitete die Beklagte das Feststellungsverfahren ein, in dem sie (u.a.) ein Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers und Berichte seiner behandelnden Ärzte einholte sowie neurologische und augenärztliche Gutachten erhob.
Dr. F berichtete im Schreiben vom 14. September 1994, die Behandlung des Klägers sei noch nicht abgeschlossen. Der Kläger gebe an, bei anstrengender Tätigkeit und Konzentration bekomme er vermehrte Schmerzen im Nacken; außerdem habe er über Schmerzen im Augenbereich mit Sehbehinderung geklagt, weshalb er zum Augenarzt überwiesen worden sei. Einen Befund habe er, Dr. F, jedoch trotz mehrfacher Bitte nicht erhalten. Der Kläger habe indessen angegeben, nach Aussage seines Augenarztes beruhten die Beschwerden auf dem Unfall.
Im neurologischen Befundbericht des Dr. K vom 5. Oktober 1994 heißt es, der Kläger habe über das Gefühl schlechteren Sehens (nach längerer Zeit) geklagt. Dr. K fand keinen objektiven Befund, hielt die Beschwerden jedoch für glaubhaft.
Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T berichtete unter dem 17. Oktober 1994, der Kläger habe sich am 14. Oktober 1994 mit einem unauffälligen Computertomogramm des Schädels vorgestellt und angegeben, seine Sehschärfe lasse, verbunden mit Verschwommensehen, täglich für mehrere Stunden nach, was durch eine Brille nur wenig besser geworden sei. Am 4. November 1994 teilte Dr. F der Beklagten mit, der Kläger sei ab 6. November 1994 arbeitsfähig; die MdE betrage 0 v.H..
Der Kläger legte einen Befundbericht des Augenarztes Dr. L vom 6. Dezember 1994 vor. Dieser führte aus, der Kläger leide an einer latenten Hyperopie, zu deren Ausgleich eine entsprechende Brille verordnet worden sei. Bei dem Unfall (Schädelhirntrauma) habe es seines Erachtens eine Schädigung der sensorischen Fusion gegeben, was mit den Besch...