Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines beantragten Gutachtens nach § 109 Abs 2 SGG. grob nachlässige Prozessführung. Verfahrensverzögerung. nicht fristgerechter Eingang des Kostenvorschusses bei Gericht. fahrlässig zu späte Beantragung bei Rechtsschutzversicherung. Recht auf faires Verfahren. Zeitpunkt der Sachentscheidung. Wahrung des rechtlichen Gehörs
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist eine grob nachlässige Prozessführung, wenn der vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss für das nach § 109 SGG beantragte Gutachten nach der richterlich festgesetzten Frist eingeht und der Bevollmächtigte die Einzahlung des Vorschusses erst 2 Wochen vor Ablauf der Frist bei der Rechtsschutzversicherung beantragt sowie sich ohne Fristüberwachung darauf verlassen hatte, dass die verbleibende Frist nach seiner Erfahrung ausreichend zur Bearbeitung durch die Rechtsschutzversicherung ist.
2. Die Ablehnung des Antrags wegen Verfahrensverzögerung nach § 109 Abs 2 SGG verstößt nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren, wenn die Sachentscheidung zwar erst 4 Monate nach Ablauf der Frist zur Erfüllung der richterlichen Auflagen für den Antrag nach § 109 SGG ergeht, dies aber gerade auf der Gehörsgewährung des Gerichts zu den Einwänden des Antragstellers beruht.
Normenkette
SGG § 109 Abs. 2, § 63 Abs. 1, § 73 Abs. 4; SGB VII § 73 Abs. 3, § 76 Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.05.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Wiedergewährung einer Rente wegen einer wesentlichen Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.03.1994 nach erfolgter Abfindung der Rente auf Lebenszeit.
Der 1971 geborene Kläger erlitt am 17.03.1994 bei seiner versicherten Tätigkeit als Bauhelfer bei der K. W. GmbH & Co. KG einen Arbeitsunfall, als ein von einer Säge weggeschleuderter Metallsplitter bei ihm eine perforierende Hornhaut-Linsen-Verletzung mit metallischem intraokularen Fremdkörper des rechten Auges verursachte.
Auf Veranlassung der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, (im Folgenden auch nur: Beklagte) erstattete der Augenarzt Dr. J. , S., das Erste Rentengutachten vom 17.10.1994, in dem er die folgenden wesentlichen Unfallfolgen feststellte: Zustand nach perforierender Metallsplitterverletzung des rechten Auges mit zentraler grober Hornhautnarbe, erweiterter und entrundeter Pupille durch Sphinkterriss, Vernarbung mit Traktionsfalten im Netzhautzentrum mit Herabsetzung der Sehkraft, konzentrische Gesichtsfeldeinengung, praktische Einäugigkeit wegen Unkorrigierbarkeit bei hoher Anisometropie. Vom Unfall unabhängig bestünden eine starke Weitsichtigkeit beider Augen sowie ein geringer Astigmatismus und erhebliche angeborene Linsentrübungen des linken Auges. Da keine Untersuchungsbefunde aus der Zeit vor dem Unfall vorlägen, könne nicht geklärt werden, ob auch das rechte Auge angeborene Linsentrübungen gehabt und ob bei der erheblichen Weitsichtigkeit ein einseitiges oder wechselseitiges Innenschielen vorgelegen habe. Das sei wahrscheinlicher als ein Abweichen des rechten Auges in Innenfehlstellung nach dem Unfall. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage vom 17.03.1994 bis 31.08.1994 100 v.H., vom 01.09.1994 bis 31.03.1995 30 v.H. und anschließend voraussichtlich noch 25 v.H. (Bl. 98/99 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 09.02.1995 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 22.08.1994 bis auf Weiteres eine vorläufige Rente nach einer MdE von 30 v.H.. Dabei anerkannte sie als Unfallfolgen hinsichtlich des rechten Auges eine zentrale, grobe Hornhautnarbe mit erweiterter und entrundeter Pupille infolge Irisrisses, eine Vernarbung mit Traktionsfalten im Netzhautzentrum mit Herabsetzung der Sehkraft, eine konzentrische Gesichtsfeldeinengung, eine praktische Einäugigkeit wegen Unkorrigierbarkeit infolge starken Brechkraftunterschiedes beider Augen und eine Linsenlosigkeit. Keine Unfallfolgen seien die starke Weitsichtigkeit beider Augen sowie die geringe Stabsichtigkeit und erhebliche, angeborene Linsentrübungen des linken Auges. (Bl. 140 der Verwaltungsakte).
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 09.03.1995 Widerspruch, zu dessen Begründung er unter Bezugnahme auf ein Attest des Augenarztes Prof. Dr. N. vom 14.06.1994 eine MdE von 40 v.H. geltend machte (Bl. 165 der Verwaltungsakte).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Augenarzt Dr. J. das Zweite Rentengutachten vom 27.04.1995, in dem er folgende noch bestehende Unfallfolgen beschrieb: Zustand nach perforierender Metallsplitterverletzung des rechten Auges mit grober zentraler Hornhautnarbe, erweiterter und entrundeter Pupille durch Sphinkterriss, Vernarbung des Netzhautzentrums und Herabsetzung der Sehkraft, leichte konzentrische Gesichtsfeldeinengung, praktische Einäugigkeit ...