Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentliche Änderung der Verhältnisse

 

Leitsatz (amtlich)

Der zur Begründung eines die Rentenleistung ablehnenden Bescheides angegebene MdE-Satz um 15 v.H. ist nicht Teil eines Verfügungssatzes und damit nicht der Bindung fähig.

Bedingen – auch nach Ansicht des UVTr. – die Unfallfolgen später eine MdE um 20 v.H., so ist dem Verletzten die Unfallrente zu gewähren.

 

Normenkette

RVO § 581 Abs. 1, § 622; SGG § 77

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.11.1973; Aktenzeichen S-3/U - 184/72)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 1973 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente bereits für die Zeit vom 1. November 1971 bis zum 31. Dezember 1972 verurteilt worden ist.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe des am 25. September 1976 verstorbenen Ehemannes H. A. (A.), mit dem sie zum Zeitpunkt seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Als seine Sonderrechtsnachfolgerin streitet sie mit der Beklagten um die Gewährung der Verletztenrente wegen der Verschlimmerung von Unfallfolgen.

Der im Jahre 1902 geborene A. erlitt bei einem Arbeitsunfall am 18. September 1944 eine Verbrennungsverletzung des rechten Auges, aufgrund derer sich ein zentrales Hornhautgeschwür mit zentraler Hornhautnarbe entwickelte. Nach einem Gutachten des Dr. C. (Universitäts-Augenklinik He. vom 2. Juli 1946 war die Sehschärfe rechts auf 5/20 herabgesunken. Das linke Auge verhielt sich normal. In Anführung des Urteils des Oberversicherungsamtes D. (OVA) vom 14. März 1947 gewährte die Beklagte mit dem Bescheid vom 23. August 1947 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – um 20 v.H. bis zum 31. Dezember 1945. Die Gewährung einer Rente über diesen Zeitraum hinaus lehnte sie ab, „weil die MdE nur noch 15 v.H.” betrage und dadurch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente nicht mehr gegeben seien.

Einen Antrag des A. vom 13. September 1967 auf Wiedergewährung der Verletztenrente wegen Verschlechterung der Sehkraft des rechten Auges lehnte die Beklagte aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. M. und Oberarzt Dr. K. (Augenklinik … F.) vom 9. März 1968 mit Bescheid vom 9. April 1968 ab.

Die Untersuchung am 27. Februar 1968 hatte als Folge des Arbeitsunfalles auf dem rechten Auge nur eine zentrale Hornhautnarbe mit überwachsender Bindehaut auf die Hornhaut ergeben. Die Sehschärfe wurde rechts mit 0,3 (= 5/15) und links 0,67 gemessen sowie mit einer MdE um 10 v.H. bewertet. Ferner führten Prof. Dr. M. und Dr. K. aus, daß ein beginnender Altersstar rechts, der nur zu einem Teil die Herabsetzung der Sehschärfe bedinge, keine Unfallfolge sei. Die gegen diesen Bescheid bei dem Sozialgericht F. (…) erhobene Klage nahm A. wieder zurück.

Am 22. November 1971 begehrte A. unter Vorlage der Bescheinigung des Augenarztes Dr. Fr. (F.) vom 1. November 1971 erneut die Gewährung der Verletztenrente mit der Begründung, das Flügelfell sei oft entzündet und zur Hornhautmitte vorgewachsen sowie die Sehbeeinträchtigung größer geworden, so daß unabhängig von den altersbedingten Veränderungen die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen sei. Hierauf holte die Beklagte zunächst von Prof. Dr. M. und Oberarzt Dr. Hi. (Augenklinik … in F.) das Gutachten vom 27. Januar 1972 ein. In ihm führten diese aus, daß nach den am 16. Dezember 1971 erhobenen Befunden die Sehschärfe rechts mit 0,1 (= 5/50) und links mit 0,6 (= 5/7) gemessen worden sei. Als Unfallfolgen bestünden am rechten Auge Hornhautnarben und ein Einwachsen eines Flügelfelles fast bis zur Hornhautmitte. Dagegen stehe die beginnende graue Starbildung des rechten Auges in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Die Zunahme der Sehminderung des rechten Auges von 0,3 auf 0,1 beruhe nicht auf den Unfallfolgen, sondern stehe in Zusammenhang mit dem beginnenden Grauen Star. Die von A. angegebenen stark eingeschränkten Gesichtsfelder stimmten nicht mit dem objektiven Befund überein und seien auch nicht seitengleich und daher nicht unfallbedingt. Da die Sehminderung des rechten Auges mit 0,1 durch den unfallunabhängig beginnenden Grauen Star mitbedingt sei, sei die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. zu bilden. Hierauf lehnte die Beklagte durch formloses Schreiben vom 16. Februar 1972 die Wiedergewährung der Verletztenrente ab.

Nachdem A. mit Schreiben vom 10. April 1972 um Überprüfung dieser Ablehnung gebeten hatte, versagte die Beklagte erneut mit formlosem Schreiben vom 19. April 1972 die Gewährung einer Verletztenrente.

Hiergegen hat A. am 8. Mai 1972 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main – SG – Klage erhoben.

Im Verfahren des ersten Rechtszuges hat die Beklagte den förmlichen Bescheid vom 28. Juni 1972 erteilt. Das SG hat hierauf zunächst von Amts wegen das auge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge