Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. abhängige Beschäftigung. GmbH-Geschäftsführer. Minderheitsbeteiligung. Personenidentität der Geschäftsführer und Gesellschafter
Leitsatz (amtlich)
Geschäftsführer einer GmbH, die zugleich (alleinige) Gesellschafter sind, sind dann nicht mehr als abhängig Beschäftigte anzusehen, wenn eine Weisungsgebundenheit im Hinblick auf die im Gesellschaftsvertrag eingeräumte umfassende alleinige Vertretungsbefugnis unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht besteht (vgl LSG Stuttgart vom 30.11.2005 - L 3 AL 1416/05 = ZIP 2006, 298 und Heranziehung von BSG vom 6.3.2003 - B 11 AL 25/02 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 1).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Januar 2005 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der am ... 1948 geborene Kläger war bis Ende 1989 als Verkaufsleiter der früheren Einzelfirma G. beschäftigt. Im Januar 1990 gründete er gemeinsam mit drei weiteren Personen, darunter zwei bisherigen Arbeitskollegen, die G. Stahlbau GmbH, die den Geschäftsbetrieb der Einzelfirma G. mit rund 45 Beschäftigten fortsetzte. Nach Ausscheiden eines Gesellschafters hielten der Kläger als kaufmännischer Leiter sowie die genannten Arbeitskollegen, der Produktionsleiter R. und der technische Leiter Z. der früheren Einzelfirma, von dem Stammkapital der GmbH in Höhe von 90.000,- DM je ein Drittel. Gemäß § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 23. Oktober 1990 bedurften Gesellschafterbeschlüsse betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages, den Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen oder sonstigen Unternehmensverträgen und betreffend Umwandlungen und Verschmelzungen der Zustimmung von 75 % aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen. Im Übrigen waren Gesellschafterbeschlüsse nach dieser Bestimmung mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen, soweit nicht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag eine größere Mehrheit vorsahen. Im März 1990 wurden die Gesellschafter zu Geschäftsführern der GmbH bestellt. Im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit waren sie jeweils alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Unter Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitszeiten und Tätigkeiten leitete der Kläger den kaufmännischen Bereich, Herr R. die Produktion und Herr Z. den technischen Bereich. Unternehmerische Entscheidungen trafen die Gesellschafter/Geschäftsführer gemeinschaftlich während der Arbeitszeit im Betrieb. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Geschäftsführer nicht abgeführt, nachdem die AOK U. mit Bescheid vom 26. April 1990 das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse verneint hatte. Die Tätigkeit als Geschäftsführer übte der Kläger bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Fa. G. Stahlbau GmbH (Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 1. Dezember 2003) aus.
Am 9. Januar 2004 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. G. Stahlbau GmbH bei der Beklagten Insolvenzgeld für ausstehenden Arbeitslohn aus der Zeit vom September bis November 2003.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab mit der Begründung, Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) hätten nur Arbeitnehmer. Der Kläger sei jedoch kein Arbeitnehmer. Entscheidend für diese Beurteilung sei das Gesamtbild der Tätigkeit. Hierbei sei wesentlich, ob der äußere Rahmen der Tätigkeit auch tatsächlich durch einseitige Weisungen der Gesellschafter hätte geregelt werden können. Mit 33 % Kapitalbeteiligung habe der Kläger ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko getragen, so dass er seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern im eigenen Unternehmen ausgeübt habe. Auch habe er nach den Angaben im Fragebogen zum Insolvenzgeldantrag eine Sperrminorität bei je 33,33 % Gesellschaftsanteilen gehabt. Es habe somit auch ein für ein Arbeitnehmer-/Arbeitgeberverhältnis typischer Interessengegensatz gefehlt. Ein solcher sei kaum denkbar, wenn die Geschäftsführer zugleich die alleinigen Gesellschafter seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe während seiner Tätigkeit keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Nachdem der Kläger sich nicht gegen die Entscheidung der AOK gewandt habe, müsse angenommen werden, dass er seinerzeit die Entscheidung und die Begründung als zutreffend angesehen habe und die jetzigen Darlegungen allein von der Absicht getragen seien, Insolvenzgeld zu erhalten.
Am 30. August 2004 ha...