Orientierungssatz
1. Zur Versicherungspflicht einer selbständigen Religionslehrerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und deren Befreiung aufgrund einer abhängigen Beschäftigung.
2. Zu den Kriterien für die Abgrenzung abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 08. April 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Oktober 2002 aufgehoben.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. September 1998 der Versicherungspflicht als Selbstständige in der Rentenversicherung (RV) unterliegt.
Die 1968 geborene Klägerin ist seit 2002 verheiratet. Nach der Ablegung des Abiturs im Jahre 1988 war sie seit 1989 an der Hochschule für jüdische Studien an der Universität H. immatrikuliert; sie studierte im Nebenfach Erziehungswissenschaften. Im Jahre 1994 legte sie eine Zwischenprüfung ab. Das Studium unterbrach die Klägerin, weil sie 1997 bzw. 2000 Kinder zur Welt brachte.
Aufgrund des mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG) am 20. Oktober 1998 geschlossenen „Freien Mitarbeitervertrags", der für die Zeit vom 01. September 1998 bis 31. August 1999 gelten sollte, war ihr Aufgabengebiet die Erteilung jüdischen Religionsunterrichts für alle jüdischen Schülerinnen und Schüler der Gymnasial-, Realschul- und Hauptschulklassen in K. und P. (Nr. 1.1 des Vertrags). Nach Nr. 1.2 des Vertrags war die Klägerin mit Ausnahme der Vorgaben durch die IRG grundsätzlich in der Bestimmung ihres Arbeitsortes sowie ihrer Arbeitszeit frei und unterlag insoweit keinen Weisungen. Die IRG stellte der Klägerin zur Ausübung ihrer Tätigkeiten nach Nr. 1.4 des Vertrags alle erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung, soweit vorhanden. Für diese Tätigkeit war - neben Fahrkostenersatz als Vergütung ein Honorar von DM 3.400,00 pauschal pro Monat vereinbart; Steuern und Versicherungsbeiträge sollte die Klägerin selbst abführen (Nr. 2.1 Sätze 1 und 3). Dieser Vertrag wurde zunächst bis zum 31. August 2000 und weiter bis zum 31. Dezember 2003 verlängert. Auf die Abhaltung jüdischen Religionsunterrichts für alle jüdischen Schülerinnen und Schüler der Grundschulen in K. bezog sich der weitere am 09. Juli 1999 für die Zeit ab 01. April 1999 geschlossene „Freie Mitarbeitervertrag" mit der Jüdischen Kultusgemeinde K. Für diese Tätigkeit war als Vergütung ein Honorar von DM 700,00 pauschal monatlich vereinbart, wobei auch nach diesem Vertrag die Klägerin Steuern und Versicherungsbeiträge selbst abführen sollte (Nr. 2.1 Satz 1 und 3). Dieses Vertragsverhältnis bestand bis zum Sommer 2001. Auf die Abhaltung jüdischen Religionsunterrichts für alle jüdischen Schülerinnen und Schüler der Grundschulen in Mannheim war dann der weitere, ab 01. September 2000 geltende „Arbeitsvertrag" und „Freie Mitarbeitervertrag" zwischen der Klägerin und der Jüdischen Gemeinde Mannheim gerichtet. Auch danach erhielt die Klägerin für ihre Tätigkeit zuzüglich Fahrkostenersatz als Vergütung ein Honorar von DM 700,00 pauschal monatlich, wobei sie auch danach Steuern und Versicherungsbeiträge selbst abführen sollte (Nr. 2.1). Dieses Vertragsverhältnis wurde nach Angaben der Klägerin ab 01. Januar 2004 in einen „Mini-Job" umgewandelt und bestand bis Juli 2005.
Die Abhaltung des jüdischen Religionsunterrichts durch die Klägerin nach den genannten Verträgen erfolgte nachmittags während der Schulzeit der staatlichen Schulen, nicht jedoch während der allgemeinen Schulferien. Die Räume für die Durchführung des Unterrichts wurden der Klägerin von den staatlichen Schulen zur Verfügung gestellt. Die Klägerin fasste jeweils Schüler verschiedener Klassenstufen zusammen. Die Zahl der Unterrichtsstunden richtete sich nach den allgemeinen Vorgaben des Kultusministeriums Baden-Württemberg für den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an allen öffentlichen Schulen. Für die Durchführung des jüdischen Religionsunterrichts war der von der IRG ausgearbeitete „Lehrplan für das Fach „Jüdische Religionslehre", bezogen auf Grund-, Haupt- und Realschule sowie Gymnasium, maßgebend. Als Lehrmittel wurden der Klägerin von der IRG „Die Bibel für Kinder erzählt", „Hebräisches Leselernheft" und „Das jüdische Jahr" in vier Bänden zur Verfügung gestellt. Die Klägerin erteilte Noten für das Fach „Jüdische Religionslehre"; diese Noten vermerkte sie in Listen, die auch nach Meldung der IRG an die Schulen in den entsprechenden Halbjahres- bzw. Schuljahresabschlusszeugnissen der Schüler eingetragen wurden. An Schulveranstaltungen oder Schulkonferenzen der einzelnen staatlichen Schule nahm die Klägerin nicht teil. Im Falle von Krankheit bestand eine Vertretungsmöglichkeit. Die Klägerin erhielt das monatliche Honorar jeweils auch während der Zeit der Schulferien. Sie unterrichtete im Schuljahr 1998/1999 13 Wochenstu...