Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Erhöhung des Beitragssatzes. Unterlassen der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven

 

Orientierungssatz

Rügt ein freiwillig Versicherter ein § 4 Abs 4 S 1 SGB 5 widersprechendes Fehlverhalten seiner Krankenkasse (hier "üppige Aufwandsentschädigung" für den Vorstandsvorsitzenden) im Ausgabenbereich, so kann er mit einem solchen angeblichen Fehlverhalten die Rechtmäßigkeit einer Beitragsforderung nicht zu Fall bringen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung (KV) seit 01. Mai 1997.

Der ... 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig ohne Anspruch auf Krankengeld (Krg) krankenversichert sowie bei deren Pflegekasse pflegepflichtversichert. Er entrichtete zuletzt bis zum 30. April 1997 Beiträge zur Beklagten nach dem damals für freiwillige Versicherte ohne Anspruch auf Krg geltenden ermäßigten Beitragssatz (BS) von 12,6 vom Hundert (v.H.). Dieser ermäßigte BS galt seit 01. Januar 1997, als die Beitragssätze im Vollzug von Art. 1 § 2 des Beitragsentlastungsgesetzes vom 01. November 1996, BGBl. I S. 1631, um 0,4 Beitragssatzpunkte vermindert worden waren.

Auf der 8. Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten vom 10. März 1997 nahm dieser einstimmig den 40. Nachtrag zur Satzung der Beklagten an. Danach wurde mit Wirkung ab 01. Mai 1997 durch Art. I Nr. 2 in § 31 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der allgemeine BS West für Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit (AU) für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, von 13,4 auf 13,9 v.H. bzw. von 13,5 auf 13,9 für das Beitrittsgebiet Ost, nach Nr. 2 der erhöhte BS West für Mitglieder, die bei AU nicht für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, von 15,0 auf 15,1 v.H. sowie nach Nr. 3 der ermäßigte BS West von 12,6 auf 13,1 v.H. bzw. von 12,7 auf 13,1 v.H. für das Beitrittsgebiet Ost jeweils mit Wirkung ab 01. Mai 1997 heraufgesetzt. Diese Entscheidung wurde wie folgt begründet:

"Die hohen Verluste von voraussichtlich 980 Mio. DM (West) und 229 Mio. DM (Ost) für 1996 haben die bestehenden Rücklagen und Betriebsmittel stark abschmelzen lassen. Per 31.12.1996 werden die Betriebsmittel und Rücklagen noch ca. 644 Mio. DM (West) und 10 Mio. DM (Ost) betragen.

Auf der Grundlage der zum 01. Januar 1997 abgesenkten Beitragssätze erwarten wir für 1997 lt. Haushaltsplan Defizite in Höhe von 1.346 Mio. DM (West) und 303 Mio. DM (Ost).

Damit würden die Betriebsmittel nicht nur aufgebraucht, sondern sogar negativ werden. Zur Sicherstellung, dass im weiteren Jahresverlauf den finanziellen Verpflichtungen nachgekommen werden kann und zur Vermeidung, dass am Jahresende die Betriebsmittel negativ sind, ist eine Beitragssatzanhebung auf 13,9% in beiden Rechtskreisen notwendig. Dabei ist schon unterstellt, dass ab 01. Juli 1997 zusätzliche Zuzahlungen von 5,- DM bzw. 5%-Punkten in der GKV zur Anwendung kommen".

Mit dieser Begründung beantragte der Vorstand der Beklagten am 10. März 1997 beim Bundesversicherungsamt (BVA) die Genehmigung der Satzungsänderung. Im Genehmigungsverfahren prüfte das BVA den Genehmigungsantrag unter Berücksichtigung der vorgelegten Jahresrechnung 1995, der KV 45, des Haushaltsplanes 1997, Berechnungen der Kasse sowie eigenen Schätzungen. Mit Vermerk vom 18. März 1997 genehmigte das BVA die Satzungsänderung.

Im Hinblick auf den danach für den Kläger ab 01. Mai 1997 maßgebenden ermäßigten BS von nunmehr 13,1 v.H. betrug der monatliche KV-Beitrag des Klägers nach der Beitragsklasse 651 ab 01. Mai 1997 806,00 DM, derjenige nach der Beitragsklasse 661 ab 01. Januar 1998 825,30 DM sowie derjenige nach der Beitragsklasse 671 ab 01. Januar 1999 835,12 DM und ab 01. Januar 2000 844,96 DM.

Der Kläger hatte sich zunächst bei dem BVA gegen die Genehmigung der Satzungsänderung gewandt; er sah die Satzungsänderung bzw. deren Genehmigung als Verwaltungsakt mit Drittwirkung an und hielt sich deswegen für widerspruchsberechtigt. Im Hinblick auf § 220 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) komme es für die Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhung maßgebend darauf an, ob die Betriebsmittel der Krankenkasse einschließlich der Zuführung aus den Rücklagen und der Inanspruchnahme eines Darlehens aus der Gesamtrücklage für die Deckung der Ausgaben nicht ausreichten. Dazu verlangte er Einsicht in die Akten des Genehmigungsverfahrens. Das BVA vertrat mit Schreiben vom 23. Mai 1997 und 14. April 1998 die Auffassung, dass der Versicherte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht Beteiligter sei; ihm gegenüber ergehe kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 1998 wies das BVA den Widerspruch als unzulässig zurück, weil die Genehmigung der Beitragssatzerhöhung unmittelbare Rechtswirkungen nur gegenüber de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge