Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2112. beidseitige Gonarthrose. Vorliegen aller vom Verordnungsgeber genannten Kriterien im Vollbeweis. 13 000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten. Mindesteinwirkungsdauer von 1 Stunde pro Schicht. keine Feststellung von Negativkriterien. widerlegbare Vermutungswirkung der haftungsbegründenden Kausalität. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Installateur und Verfuger

 

Orientierungssatz

1. Legt der Verordnungsgeber wie im Falle der BK 2112 die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit durch Vorgabe präziser Kriterien (hier: "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht") selbst fest, so besteht, wenn die Kriterien im Vollbeweis erfüllt sind, die - widerlegliche - Vermutung, dass die betreffende Krankheit durch die berufsbedingten Einwirkungen verursacht wurde.

2. Zur BK 2112 können nach dem aktuellen Erkenntnisstand keine medizinisch wissenschaftlichen Kriterien mit einer positiven Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung, anhand derer eine Abgrenzung von idiopathischen Gonarthrosen vorgenommen werden können (zB ein belastungskonformes Schadensbild bzgl des Verteilungsmusters der Knorpelschäden im Kniegelenk), benannt werden.

 

Normenkette

BKV Anl. 1 Nrn. 2112, 4104; BKV §§ 1, 6 Abs. 2 S. 1; SGB VII § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; Gonarthrose).

Der 1956 geborene Kläger, der von 1971 bis 1974 den Beruf des Flaschners-Installateurs erlernte, war in diesem Beruf ab 1975 bei verschiedenen Arbeitgebern tätig, ehe er sich am 01.07.1983 als Verfuger selbstständig machte. Er war ab diesem Zeitpunkt freiwillig bei der Beklagten versichert. Zum 01.07.2008 trat Arbeitsunfähigkeit auf Grund von Kniebeschwerden ein, woraufhin der Kläger seinen Betrieb abgab und nur noch Bürotätigkeiten als Angestellter verrichtete.

Am 22.08.2008 erfolgten in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) T. eine diagnostische Arthroskopie am rechten Kniegelenk sowie eine Knorpelglättung und eine Außenmeniskuskorbhenkelresektion. Diagnostiziert wurden ein zweit- bis drittgradiger Knorpelschaden Hauptbelastungszone lateraler Femurcondylus rechts sowie der Zustand nach altem Außenmeniskuskorbhenkelriss. Am 13.10.2009 wurde eine arthroskopische Meniskusteilresektion des AM-Hinterhorns sowie der Pars intermedia des IM links sowie eine Arthrotomie lateral und Exzision des Kniegelenkganglions in den Kreiskliniken E. durchgeführt. Als Diagnosen wurden gestellt: Alte Ruptur des Außenmeniskushinterhorns links, Kniegelenksknorpelschaden III Grad in der Femurcondyle lateralseitig links, alte Ruptur in der Pars intermedia des IM li., Kniegelenksganglion vor dem AM li.

Mit Schreiben vom 28.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die bei ihm diagnostizierte Gonarthrose rechts und links sowie eine Bursitis als Berufskrankheiten anzuerkennen.

Über Art und Umfang kniebelastender Tätigkeiten befragt, gab der Kläger neben einer Auflistung seiner Arbeitgeber bzw. selbstständigen Tätigkeit an, zwischen 1966 und 1995 aktiv Fußball gespielt zu haben. Nachdem die Beklagte beim Kreiskrankenhaus N., der BG-Klinik und dem behandelnden Hausarzt Dr. M. weitere Unterlagen beigezogen und bei der zuständigen Krankenkasse das Vorerkrankungsverzeichnis angefordert hatte, beauftragte sie Prof. Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens, allerdings unter der Fragestellung, ob eine BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV (Meniskuserkrankung) vorliegt. In seinem Gutachten vom 21.04.2010 stellte Prof. Dr. H. folgende Diagnosen bezüglich der Knie des Klägers: Bilaterale, röntgenmorphologisch medial betonte, links zweitgradige, rechts erst- bis zweitgradige Gonarthrose mit mäßiggradigem funktionellem Belastungsschmerz rechts dominant und leichter Kapselreizung links und geringer endflektorischer Beweglichkeitslimitierung, bilaterale frontale Außenbandinstabilität rechts Grad II mit diskreter posterior lateraler Insuffizienz, links Grad I mit rechtsseitig sekundärer Tractustendomyose , Zustand nach bilateraler Außenmeniskusteilresektion, linksseitiger Außenmeniskusganglion-Exstirpation sowie linksseitiger Innenmeniskusteilresektion der Pars intermedia .

Neben ausführlichen Ausführungen zur Meniskuserkrankung gab der Gutachter an, die Wahrscheinlichkeit des eher außerberuflich durch die Fußball-Exposition dominierenden Belastungsfaktors werde auch über die Tatsache unterstriche...

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