Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. 10-Jahres-Zeitraum. zu erstattende Kosten. Übersteigen des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs 1 SGB 12. maßgeblicher Zeitpunkt. Vorliegen einer besonderen Härte. Wert des Nachlasses. Miteigentum an einem Hausgrundstück. Schonvermögen. Atypischer Fall. Einkommensgefälle zwischen den Eheleuten. Eingliederungshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass der Ehepartner des verstorbenen Hilfeempfängers, für den der Sozialhilfeträger Kostenersatz nach § 102 SGB XII geltend macht, die je zur Hälfte im Miteigentum der Eheleute stehende Wohnimmobilie überwiegend finanziert hat, stellt keinen Härtefall gem § 102 Abs 3 Nr 3 SGB XII dar.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Ermittlung der im 10-Jahres-Zeitraum nach § 102 Abs 1 S 2 SGB 12 entstandenen und zu erstattenden Kosten der Sozialhilfe ist allein auf die Zeiträume abzustellen, für die die Leistungen erbracht wurden. Auf im 10-Jahres-Zeitraum geleistete verspätete Zahlungen für außerhalb des 10-Jahres-Zeitraums liegende Zeiträume kommt es nicht an.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Höhe des zu Grunde zu legenden Grundbetrages nach § 85 Abs 1 SGB 12 ist der Erbfall (vgl BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R = SozR 4-5910 § 92c Nr 1).

 

Normenkette

SGB XII § 102 Abs. 1, 2 S. 2, Abs. 3 Nr. 3, § 103 Abs. 3 S. 2, § 85 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.03.2017; Aktenzeichen B 8 SO 81/16 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Oktober 2014 abgeändert. Der Bescheid vom 6. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2013 wird insoweit aufgehoben als der Beklagte darin eine Kostenerstattung von mehr als 9.208,59 € geltend macht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 17.852 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Erbin ihres verstorbenen hilfebedürftigen Ehemannes durch den Sozialhilfeträger.

Die Klägerin ist die Witwe und durch gemeinschaftliches Testament Alleinerbin des am 19.8.1944 geborenen und am 3.10.2012 verstorbenen S. (im Folgenden: GS). GS hatte in der Zeit vom 24.11.1999 bis 30.11.2004 Leistungen der Eingliederungshilfe im Zusammenhang mit dem teilstationären halbtägigen Besuch der Reha-Werkstatt in L. im Arbeitsbereich nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vom damals noch zuständig gewesenen Landeswohlfahrtsverband Baden in Karlsruhe unter Beteiligung an den Verpflegungskosten in der Werkstatt in Höhe des festgesetzten Satzes der häuslichen Ersparnis bezogen (Bescheid vom 6.12.1999, Abhilfebescheid vom 26.11.2002, Bl. 181, 299 VA). Den Nachlass des GS hatte die Klägerin gegenüber dem Nachlassgericht wie folgt angegeben: Konto mit 19.017 €, Schallplatten- und CD-Sammlung im Wert von ca. 1.200 € sowie ein Hausgrundstück mit einem Wert von 185.000 €. Dem gegenüberstehende Verbindlichkeiten gab die Klägerin mit ca. 105.000 € an (s. Nachlassverzeichnis vom 19.11.2012, Bl. 359 VA). Das Hausgrundstück (Grundstücksgröße 541 m², Gesamtwohnfläche 114,48 m², Neubau von 1996) war Miteigentum der Klägerin und des GS je zur Hälfte (Bl. 237 VA).

Nach Kenntnis vom Tod des GS wandte sich der Beklagte als Rechtsnachfolger des Landeswohlfahrtsverbands Baden mit Schreiben vom 8.3.2013 an die Klägerin zur Prüfung eines Kostenersatzanspruchs gegenüber ihr als Erbin und forderte Nachweise an. Mit Bescheid vom 6.6.2013 forderte der Beklagte von der Klägerin Kostenersatz nach § 102 SGB XII in Höhe von 17.851,95 €. Hierbei war unter Berücksichtigung des hälftigen Eigentumsanteils der Klägerin ein Nachlassvermögen von 102.008,50 € und Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 71.710,62 € (halbe Darlehenssumme zzgl. Beerdigungskosten) und somit ein Reinnachlass von 30.297,88 € zu Grunde gelegt worden. Der Sozialhilfeaufwand habe im relevanten 10-Jahreszeitraum 20.095,95 € betragen. Unter Abzug des Dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII in Höhe von 2.244,00 € ergebe sich der geforderte Betrag. Eine besondere Härte liege nicht vor. Insbesondere auf die Lebenshaltungskosten könne sich nicht berufen werden, da gemäß § 1353 Abs. 1 i.V.m. § 1360 BGB Ehegatten innerhalb der eigens geschlossenen ehelichen Gemeinschaft einander zu Unterhalt verpflichtet seien (Bl. 483 VA).

Dagegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt und die Höhe des Sozialhilfeaufwands sowie den Wert des Hausgrundstücks bestritten. Im Übrigen liege eine besondere Härte vor, da der GS schon bald nach der Eheschließung eine endogene Psychose mit starken Auswirkungen auf seine Erwerbsmöglichkeiten erlitten habe, sodass die Klägerin für ihn habe aufkommen müssen und die Finanzierung des Hauses aus ihren Mitteln erfolgt sei. Zudem sei sie finanziell zur Rückzahlung nicht in der Lage und es drohe ihrerseits Sozialhilfebedürftigkeit. Der Beklagte wies den...

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