Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzung für Kostenerstattung einer Auslandsbehandlung. alternative Behandlungsmethode (hier: Manualtherapie nach Dr Kozijavkin)
Orientierungssatz
1. Kostenerstattungen für Auslandsbehandlungen sind nur in Fällen möglich, in denen ein Versicherter im Inland erkrankt und zur Behandlung den Geltungsbereich des SGB verlassen muß, wobei allerdings weitere unabdingbare Voraussetzung ist, daß er im Ausland - und nur dort - eine medizinisch notwendige Behandlung, die dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen muß, erhält, nachdem er alle in Betracht kommenden inländischen Behandlungsmöglichkeiten zuvor ausgeschöpft hat.
2. Die Manualtherapie nach Dr Kozijavkin ist in ihrer Wirksamkeit nicht wissenschaftlich gesichert.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen neuen Bescheid wegen der Übernahme der Kosten einer Auslandsbehandlung zu erteilen.
Die am 1968 geborene Klägerin ist wegen eines frühkindlichen Hirnschadens mit beinbetonter Tetraplastik Rollstuhlfahrerin. Sie ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist gelernte Bürokauffrau und war neben Zeiten der Arbeitslosigkeit von Juli 1993 bis Februar 1994 als Verwaltungsangestellte beim Finanzamt K und vom 15. Mai bis 15. November 1994 beim Landratsamt E im erlernten Beruf beschäftigt, anschließend erneut arbeitslos und bezieht nach ihren Angaben seit Frühjahr 1997 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Mit Schreiben vom 2. November 1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie beabsichtige, sich am 5. Dezember 1994 bei dem in der Ukraine tätigen Neurologen Dr. K (Dr. K.) in Behandlung zu begeben und bat um "Bewilligung" dieser dort stattfindenden Behandlung. Sie fügte ihrem Schreiben u.a. bei: die Stellungnahme des Arztes Dr. K (Naturheilverfahren) vom 27. Oktober 1994, den Arztbrief des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses K unter Teck Dr. K vom 10. Juni 1994, den Entlassungsbericht des Chefarztes Neurologie des Reha-Zentrums B O Dr. K vom 25. April 1994, das neurologisch-neuropädiatrische Gutachten des Arztes für Kinderheilkunde Dr. R vom 27. August 1994, Arztbriefe des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie und Physikalische Therapie Dr. von S vom 22. März 1993 und 15. Oktober 1992, den sie betreffenden internistischen Verlaufsbericht des Leiters des Bereichs Innere Medizin der Rehabilitationsklinik N, Professor Dr. B vom 17. Juli 1989. Ferner legte die Klägerin einen Zeitungsausschnitt über ein Gespräch mit Dr. K., ein Informationsschreiben zur Anmeldung der Rehabilitationsbehandlung im Gebiet Lvov (oder Lviv), Truskavets/Ukraine, herausgegeben vom Kontaktbüro Annely Vogel in Denkendorf, eine Liste mit einer Zusammenstellung von Krankenkassen, die erstattet hätten sowie einen Sonderdruck aus "Sozialpädiatrie in der Pädiatrie für Praxis und Klinik" 15 Nr. 7, 1993 vor.
Die Beklagte leitete die Unterlagen dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Diplom-Psychologen und Sozialmediziner Dr. M vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu, der in seinem Gutachten vom 21. November 1994 ausführte, bei der Manualtherapie nach Dr. K. handele es sich um eine Kombination von herkömmlichen und auch effizienten Behandlungsverfahren, die in Deutschland in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fielen, mit einer Variante der manuellen Therapie, deren Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht erwiesen sei. Problempunkte der Behandlung seien die in die Therapie integrierten, "teils obskuren und potentiell gefährlichen Außenseitermethoden, wie z.B Therapie mit Bienenstichen, Kauterisation mit Wermutzigarren (Moxibustion)". Hinzu kämen weitere Behandlungselemente, die unklar seien, wie z.B. eine Kopfhauttherapie. Bei der Vermengung von schulmedizinischen Verfahren mit Außenseitermethoden sei eine Kostenübernahme durch die GKV ausgeschlossen. Das Gesamtpaket der Behandlungsmethode des Dr. K. entspreche eindeutig nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Versorgung der Klägerin im Inland sei ausreichend gesichert, es solle die krankengymnastische Behandlung auf neuro-physikalischer Grundlage intensiviert werden.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 24. November 1994 mit, es sei beabsichtigt, keine Kosten zu übernehmen, woraufhin die Klägerin unter Hinweis auf die von ihr vorgelegten Unterlagen um erneute Überprüfung bat. Die Leitende Medizinaldirektorin und Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr. H vom MDK S wertete die Unterlagen unter dem 2. Januar 1995 aus und kam wie schon zuvor Dr. M zu dem Ergebnis, die Kostenübernahme nicht befürworten zu können. Die Beklagte blieb mit weiterem Schreiben vom 9. Januar 1995 bei ihrer ablehnenden Haltung, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 16. Januar 1995 erneut um Kostenübernahme für eine Behandlung bei Dr. K., beginnen...