Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. nachwirkender Leistungsanspruchs gem § 19 Abs 2 SGB 5 (hier: auf Zahlung von Krankengeld). Voraussetzung der Verdrängung der obligatorischen Anschlussversicherung. Prognose einer anderweitigen Absicherung spätestens nach Ablauf eines Monats. Zeitpunkt der Prognose
Leitsatz (amtlich)
1. Ein nachwirkender Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 SGB V verdrängt gemäß § 188 Abs 4 S 3 SGB V nur dann die obligatorische Anschlussversicherung, wenn aufgrund einer Prognose davon auszugehen ist, dass spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall begründet und diese nachgewiesen wird.
2. Die Prognose ist am Ende der bisherigen Pflichtversicherung zu treffen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. November 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin über den 6. Januar 2019 hinaus bis zum 4. Februar 2019 Anspruch auf Gewährung von Krankengeld hat.
Die 1960 geborene, geschiedene Klägerin war aufgrund ihrer Beschäftigung als S bei der M. Ausbildung & Service gGmbH (G.) bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nach fristloser Kündigung am 1. Dezember 2017 und ordentlicher Kündigung vom 25. Januar 2018 einigte sich die Klägerin am 23. März 2018 mit ihrer Arbeitgeberin im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses auf das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2018 (Vergleichsbeschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 23. März 2018 - 4 Ca 483/17). Bereits am 2. Dezember 2017 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Ulm arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches zwar zunächst ab dem 1. Juli 2018 bewilligt, sodann aber wegen Wegfalls der Verfügbarkeit aufgehoben worden war (Änderungsbescheid vom 5. Juli 2018).
Am 6. Juni 2018 bescheinigte P wegen der Diagnose M 70.4 (Bursitis praepatellaris rechts = Schleimbeutelentzündung am Knie) Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 20. Juni 2018. Mit Folgebescheinigungen vom 22. Juni (voraussichtlich bis 8. Juli zusätzlich wegen S 02.2 [= Nasenbeinfraktur] und R 55 [= Synkope und Kollaps]), 6. Juli (voraussichtlich bis 22. Juli), 23. Juli (voraussichtlich bis 3. August), 3. August 2018 (voraussichtlich bis 31. August 2018) bescheinigte er das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit. Mit Erstbescheinigung vom 30. August 2018 wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit durch die gynäkologische Abteilung des Krankenhauses W2 wegen der Diagnose Z 09.7 (= Verlust eines oder mehrerer Genitalorgane) bis voraussichtlich 5. September 2018 sowie am 6. September 2018 durch den K. (wegen derselben Diagnose) bis 1. Oktober 2018 bescheinigt. Am 1. Oktober 2018 bescheinigte P das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit wegen sämtlich genannter Diagnosen bis voraussichtlich 14. Oktober, am 15. Oktober bis voraussichtlich 28. Oktober, am 29. Oktober bis voraussichtlich 11. November, am 12. November bis voraussichtlich 24. November, am 21. November bis voraussichtlich 9. Dezember, am 5. Dezember bis voraussichtlich 23. Dezember, am 21. Dezember 2018 bis voraussichtlich 6. Januar 2019 und am 8. Januar 2019 bis voraussichtlich 17. Februar 2019. Am 4. Februar 2019 bescheinigte er nur noch Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Tag. In seinem Bericht bezüglich des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 7. Dezember 2019 gab P gegenüber der Beklagten an, der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar.
Am 4. Februar 2019 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Ulm zum 5. Februar 2019 erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Sie stellte sich im Rahmen ihres Leistungsvermögens (trotz gesundheitlicher Probleme) zur Verfügung. Ab dem 5. Februar 2019 erhielt die Klägerin sodann Arbeitslosengeld (Bewilligungsbescheid vom 14. Februar 2019; Bl. 140 der Verwaltungsakte der Agentur für Arbeit Ulm).
Mit Bescheid vom 12. Juli 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass - wenn alle Voraussetzungen vorlägen - ihr Krankengeld ab dem 1. Juli 2018 täglich 62,47 € (Krankengeldanspruch i.H.v. 71,06 € abzüglich der Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 0,91 €, zur Rentenversicherung i.H.v. 6,61 € und zur Arbeitslosenversicherung i.H.v. 1,07 €) betrage. Das Krankengeld werde immer rückwirkend gezahlt bis zu dem Tag, an dem die ärztliche Bescheinigung ausgestellt worden sei.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 lehnte die Beklagte die weitere Gewährung von Krankengeld nach dem 6. Januar 2019 ab, da die Klägerin aktuell nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Für den weiteren Anspruch auf Krankengeld hätte spätestens am 7. Januar 2019 die Arbeitsunfähigkeit erneut festgestellt werden müssen. Da die aktuelle Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erst am 8. Januar 2019 ausgestellt worden sei, ende die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld am 6. Januar 2019. Mit i...