Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Investitionskostenvereinbarung. Angemessenheit der Investitionskosten. externer oder interner Vergleich. Pachtkosten. Eigentümermodell. Marktpreis. Förderbedingungen des Landes Baden-Württemberg für Pflegeheime. Fortschreibung anhand des Baupreisindex des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg

 

Orientierungssatz

1. Die Prüfung, ob die geltend gemachten Investitionskosten marktgerechten Bedingungen entsprechen, ist nicht nur anhand eines externen Vergleichs mit anderen Leistungserbringern, sondern auch anhand anderer (interner) Kriterien denkbar.

2. Der Senat kann es offenlassen, ob die Schiedsstelle grundsätzlich berechtigt ist, die Wirtschaftlichkeit der Pachtkosten für die Einrichtung in einem Vergleich mit solchen Kosten zu bewerten, die im Allgemeinen für Eigentümer anfallen ("Eigentümermodell").

3. Angesichts des Interesses der Allgemeinheit an wirtschaftlicher und sparsamer staatlicher Mittelverwendung ergibt sich für die Festsetzung durch die Schiedsstelle ein allgemeinverbindlicher Angemessenheitsmaßstab, der auf den entsprechenden Marktpreis abzustellen hat und nicht an unternehmerische Entscheidungen des Einrichtungsträgers gebunden ist.

4. Das Verfahren der Schiedsstelle, sich für die Berechnung der Investitionskostenvergütung an den ehemaligen Förderbedingungen des Landes Baden-Württemberg für Pflegeheime zu orientieren und die dort verwendeten Kostenrichtwerte entsprechend dem Baupreisindex des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg fortzuschreiben, ist nicht zu beanstanden.

5. Allerdings ist bei der Fortschreibung der Kostenrichtwerte ein Baupreisindex heranzuziehen, der die Entwicklung der Baupreise bezogen auf die "tatsächliche" Bauzeit abbildet. Dabei ist eine mittlere Bauzeit von siebeneinhalb Monaten zugrunde zu legen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.01.2021; Aktenzeichen B 8 SO 6/19 R)

 

Tenor

Der Schiedsspruch der Schiedsstelle Baden-Württemberg vom 23. Januar 2017 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage der Beklagten abgewiesen.

Der Kläger trägt ein Drittel, die Beklagte trägt zwei Drittel der Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 89.016,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Investitionskostenvergütung für die Zeit vom 1. Juni 2016 bis 31. Mai 2017.

Das W. A. gGmbH (Beklagte) betreibt im Kreisgebiet des Landkreises Böblingen (Kläger) eine nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugelassene voll stationäre Pflegeeinrichtung mit 52 Pflegeplätzen (Wohn- und Pflegeheim F. in Böblingen). Die Beklage selbst ist nicht Eigentümerin von Grundstück und Gebäude, auf/in dem die Pflegeeinrichtung betrieben wird. Sie hat die Räumlichkeiten von der S. W. für Baden-Württemberg angemietet, die ihrerseits von der Firma S. (Eigentümerin) die Räumlichkeiten angemietet hat. Die S. W. für Baden-Württemberg hat von der Eigentümerin das komplette Gebäude mit 24 Wohnungen (3. und 4. Obergeschoss), 52 Pflegeplätze (1. und 2. Obergeschoss), Tagepflege und Gewerbeflächen im Erdgeschoss sowie die Tiefgarage und Sozialräume im Untergeschoss angemietet. Von diesen Flächen hat die S. W. Baden-Württemberg nach Ausstattung und Inventar die Flächen für die Tagespflege und stationäre Pflege an die Beklagte auf der Grundlage des Pachtvertrages vom 25. April 2016 unterverpachtet. Vorliegend geht es allein um die Höhe des Investitionsbetrages für die 52 vollstationären Pflegeplätze im 1. und 2. Obergeschoss.

Mit Schreiben vom 27. April 2016 wandte sich die Beklagte an den Kommunalverband für Jungend und Soziales (KVJS) zum Abschluss einer Vereinbarung gesonderter berechneter Investitionskosten nach § 75 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für ihr Wohn- und Pflegezentrum F. in Böblingen, welches zum 1. Juni 2016 in Betrieb gehen solle. Es würden insgesamt 52 Dauerpflegeplätze angeboten. Auf Basis der beigefügten Kalkulation sei beabsichtigt, betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 4 SGB XI in Höhe von 28,54 € pro Tag abzurechnen. Es werde um Zustimmung gebeten. Im Weiteren fanden keine (weiteren) Verhandlungen zwischen den Beteiligten statt.

Mit Antrag vom 18. August 2016 wandte sich die Beklagte an die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII zur Festsetzung eines Investitionssatzes für die 52 Dauerpflegeplätze des Wohn- und Pflegezentrums F. in Höhe von 28,54 € täglich. Die Kalkulationsdaten für die 52 stationären Pflegesätze waren dem Antrag beigefügt.

Mit Schreiben – eingegangen bei der Schiedsstelle am 30. September 2016 – beantragte der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) namens und im Auftrag des Klägers den Antrag der Beklagten abzuweisen und das Entgelt auf 17,69 € festzusetzen. Die Beklagte rechne mit unangemessen hohen Mietkosten. Setze man die Quadratmeter ins Verhältnis zum Mietpreis ergebe sich eine Kaltmiete in Höhe von 11,56 € pro Quadratmeter. Die Instandhaltung für das Mietobjekt werde noch einmal...

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