Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz bei einem Verkehrsunfall. Überleitung von Ansprüchen auf den Rentenversicherungsträger. Legalzession. Treuhand- und Fürsorgeverhältnis. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für die Geltendmachung eines kraft Legalzession vom Versicherten auf den Rentenversicherungsträger übergeleiteten, den Beitragsschaden betreffenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung. Zum Inhalt des durch § 119 Abs 1 S 1 SGB 10 statuierten besonderen Treuhand- und Fürsorgeverhältnisses zwischen Versichertem und Rentenversicherungsträger.

 

Orientierungssatz

1. Der Forderungsübergang auf den Rentenversicherungsträger nach § 119 SGB 10 vollzieht sich ebenso wie im Falle des § 116 SGB 10 schon dann im Zeitpunkt des haftungsbegründeten Schadensereignisses (vgl BGH vom 2.12.03 - VI ZR 243/02)

2. Dem mit dem Forderungsübergang nach § 119 SGB 10 bezweckten Schutz des Versicherten vor schädigungsbedingten Renteneinbußen und damit der Geltendmachung eines Beitragsregresses steht nicht bereits entgegen, dass eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Dauer bezogen wird.

3. Teilungsabkommen zwischen Rentenversicherungsträgern und privaten Haftpflichtversicherern nach § 119 SGB 10 sind generell unzulässig.

4. Zum Gegenstand und Zulässigkeit der Klage.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Mai 2004 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (künftig: Klägerin) begehrt festzustellen, die Beklagte habe einen Beitragsschaden nach § 119 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - gegenüber der Beigeladenen als beteiligter Haftpflichtversicherung geltend zu machen.

Die am ... 1961 geborene und verheiratete Klägerin, Mutter zweier am 9. September 1992 und am 8. Mai 1994 geborener Kinder, absolvierte von 1977 bis 1979 erfolgreich eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin. Anschließend war sie im erlernten Beruf bei der Firma N. GmbH, R., versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 30. November 1988 erlitt die Klägerin auf der Fahrt mit dem eigenen Pkw zur Arbeitsstelle gegen 6:45 Uhr einen Unfall durch Zusammenprall mit einem anderen, bei der Beigeladenen versicherten Pkw, der die Vorfahrt der Klägerin nicht beachtet hatte. Vom Unfalltag bis zum 15. Dezember 1988 wurde die Klägerin in der Chirurgischen Klinik stationär behandelt. Im von Prof. Dr. K. unterzeichneten Entlassungsbericht der Klinik vom 16. Januar 1989 wurden als Diagnosen mitgeteilt: Sternumfraktur, HWS-Distorsion und Schädelprellung.

Im Rahmen der Weiterbehandlung zu Lasten der Süddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft (BG) wurde die Klägerin am 13. und 20. Februar 1989 in der Neurologischen Klinik ambulant untersucht und vom 6. bis 13. März 1989 stationär behandelt. Im Entlassungsbericht vom 17. März 1989 stellte PD Dr. K. die Diagnosen kloniforme Muskelzuckungen unklarer Genese, Zustand nach HWS-Distorsion, Schädelprellung und Sternumfraktur .

Vom 6. bis zum 9. Juni 1989 unterzog sich die Klägerin wegen anhaltender Zuckungen überwiegend des linken Armes einer weiteren stationären Heilbehandlung, nunmehr in der Neurologischen Klinik. Im Bericht vom 30. Juni 1989 vertrat Prof. Dr. B. die Auffassung, die Muskelzuckungen seien nicht unfallbedingt, weil nichts auf eine Hirn- oder Rückenmarksverletzung durch den Wegeunfall hinweise. Es handele sich vielmehr um psychogene Anfälle.

Unter dem 3. August 1989 meldete die BG bei der Beklagten einen Anspruch auf Beitragserstattung für die Zeit vom 14. bis 31. Januar 1989 an. Daraufhin bat die Beklagte die Klägerin um Angaben zum Unfallhergang und zu den Unfallfolgen. Im unter dem 14. August 1989 ausgefüllten Formularvordruck gab die Klägerin auf die Frage 12 “Bis zu welchem Lebensalter wären Sie ohne den Unfall/Schadensfall voraussichtlich berufstätig gewesen?„ wörtlich an, “bis zum Rentenalter„.

Die Beklagte meldete ihrerseits bei der Beigeladenen unter dem 24. Oktober 1989 einen Erstattungsanspruch wegen unfallbedingt unterbrochener Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung an und bezifferte den bisher entstandenen Beitragsschaden für die Zeit vom 14. bis 31. Januar 1989 mit 392, 48 DM. Die Beigeladene glich den geltend gemachten Beitragsschaden aus. Die Beklagte wies die Beigeladene unter dem 2. April 1990 darauf hin, dass gegenwärtig ein (weiteres) Feststellungsinteresse noch nicht ausgeschlossen werden könne, die Akte vorläufig zum Ruhen gebracht werde und eine Verjährung der Ansprüche gemäß den §§ 116 ff. SGB X aufgrund des vereinbarungsgemäß bestehenden generellen Verjährungseinredeverzichtes nicht eintreten könne.

Zwischenzeitlich hatte die BG eine unfallchirurgische und neurologisch-psychiatrische Zusammenhangsbegutachtung der Klägerin veranlasst. Beide Gutachter - Unfallchirurg Prof. Dr. W....

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge