Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. tarifvertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Eingriff in eine erworbene Rechtsposition. wichtiger Grund. Personalabbau. außerordentliche Kündigung

 

Orientierungssatz

1. Ein Personalabbau ist als wichtiger Grund iS von § 144 Abs 1 Nr 1 SGB 3 anzuerkennen, wenn er kurzfristig erfolgt und drastisch ist. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber mehr als 20% der Beschäftigten über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr abgebaut hat.

2. Eine außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer kann aus betrieblichen Gründen ausnahmsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zulässig sein, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfallen ist und der Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller Mittel ggf durch Umorganisation des Betriebes nicht weiterbeschäftigt werden kann.

3. In die wohlerworbene Rechtsstellung der Unkündbarkeit kann durch einen nachfolgenden Tarifvertrag nicht eingegriffen werden (vgl BAG vom 16.2.1962 - 1 AZR 164/61 = DB 1962, 524, BAG vom 10.10.1989 - 3 AZR 200/88 = BAGE 63; 100 = EzA § 2 VRG Bauindustrie Nr 4 und BAG vom 15.11.1995 - 2 AZR 521/95 = EzA § 315 BGB Nr 45).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.12.2003; Aktenzeichen B 11 AL 35/03 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer einer Sperrzeit ruht.

Der ... 1940 geborene Kläger war vom 1. Oktober 1987 bis 31. Dezember 1998 beim A (A) zunächst als stellvertretender Vorsitzender, ab 1. August 1993 als Abteilungsleiter Touristik versicherungspflichtig beschäftigt. Auf die Beschäftigungszeit wurde nach dem Anstellungsvertrag vom 24. Juni 1993 eine vorangehende Tätigkeit für die Gewerkschaft H die er in der Zeit vom 1. Mai 1967 bis 30. September 1987 ausgeübt hatte, angerechnet. Der Vorstand des A kündigte das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 25. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Zur Begründung wurde angegeben, der Arbeitsplatz des Klägers werde in Folge der von Vorstand und Kontrollausschuss beschlossenen Strukturreform zum Jahresende entfallen. Der Betriebsrat habe der Kündigung zugestimmt. Unter dem 9. Juli 1998 schlossen der Arbeitgeber und der Kläger eine Abwicklungsvereinbarung. Danach waren sich die Parteien darüber einig, dass das bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der fristgerechten betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers zum 31. Dezember 1998 enden werde. Der Arbeitgeber verpflichtete sich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 59.000,-- DM zu zahlen.

Der Kläger meldete sich am 17. November 1998 mit Wirkung zum 1. Januar 1999 beim Arbeitsamt (ArbA) Waiblingen arbeitslos und beantragte Alg. Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vom 23. November 1998 gab er an, er habe die Information über die geplante Entlassung auf einer Betriebsversammlung erhalten. Es seien ungefähr 190 Arbeitnehmer von den Personalanpassungsmaßnahmen betroffen. Kündigungsschutzklage habe er nicht erhoben, sondern dem Arbeitgeber gegenüber erklärt, dass er die Kündigung wegen der Abfindung hinnehmen werde. Das ArbA übersandte dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 einen Fragebogen, den dieser unter dem 11. Januar 1998 (richtig: 1999) beantwortete. Die Führungsgremien des Vereins hätten im Juni 1997 eine Strukturänderung beschlossen. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Geschäfts- und Betreuungsstellen zum 31. Dezember 1997 oder 31. Dezember 1998 geschlossen wurden. In Folge der Schließung aller 55 Geschäftsstellen sei auch der Arbeitsplatz des Klägers entfallen, da es seine Aufgabe gewesen sei, das touristische Angebot und seine Umsetzung in den Geschäftsstellen zu planen, zu koordinieren und zu kontrollieren. Ein gleichartiger Arbeitsplatz sei im Unternehmen nicht vorhanden gewesen. Eine Umschulung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz sei dem bereits 58 Jahre alten Arbeitnehmer nicht zumutbar gewesen, da die Qualifizierung für einen entsprechenden Arbeitsplatz mindestens 12 Monate erfordert hätte.

Das ArbA lehnte durch Bescheid vom 21. Januar 1999 den Antrag auf Alg wegen des Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit vom 1. Januar bis 25. März 1999 ab. Der Kläger habe die arbeitgeberseitige Kündigung im Hinblick auf die ihm zugestandene Abfindung hingenommen, obwohl sie offensichtlich rechtswidrig gewesen sei. Für sein Verhalten habe er bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft keinen wichtigen Grund gehabt. Es trete daher eine Regelsperrzeit ein. Mit gesondertem Bescheid vom 21. Januar 1999 verfügte das ArbA das Ruhen des Anspruchs auf Alg bei Bezug einer Abfindung im Anschluss an eine Sperrzeit nach § 117a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Wegen der Abfindung von 59.000,-- DM ruhe der Leistungsanspruch des Klägers im Anschluss an die Sperrzeit auch in der Zeit vom 26. März bis 19. April 1999. Die Anspruchs...

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