Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs 5 SGG. unzureichende Sachaufklärung durch den Rentenversicherungsträger im Rahmen eines Antrages auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente
Leitsatz (amtlich)
Zur (zulässigen) Zurückverweisung in die Verwaltung, wenn der Rentenversicherungsträger zur Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente noch die behandelnden Ärzte befragen und mindestens ein, ggf sogar mehrere ärztliche Sachverständigengutachten einholen muss.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19.06.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Berufungsverfahren wendet sich die Beklagte gegen die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung.
Die 1958 geborene Klägerin war zuletzt 2012 als Montagehelferin versicherungspflichtig beschäftigt. Seither bezieht sie Arbeitslosengeld II.
Am 12.11.2014 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie legte Arztbriefe des Chirurgen Dr. H. vom 19.10.2012 und 17.03.2014 sowie des Radiologen Dr. P. vom 25.01.2013 vor, in denen ein lumbales Bandscheibenleiden beschrieben wird sowie einen Arztbrief des Neurochirurgen Dr. R. vom 27.06.2014, in dem neben Rückenschmerzen noch über eine Raynaud-Symptomatik beidseits berichtet wird. Ferner legte sie einen Entlassungsbericht über die vom 24.08. bis 21.09.2011 durchgeführte stationäre Behandlung im Zentrum für Psychiatrie N. vor mit der Diagnose rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere Episode ohne psychotische Symptome (F33.2). In einem vorgelegten Arztbrief des Rheumatologen Dr. W. vom 24.09.2014 wurde Weichteilrheuma, DD somatisierte Depression diagnostiziert mit seit drei Monaten bestehender Arbeitsunfähigkeit. Dr. S. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten wertete ohne Untersuchung der Klägerin diese Unterlagen aus und kam zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Mit Bescheid vom 27.11.2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Mit ihrem Widerspruch vom 09.12.2014 machte die Klägerin geltend, sie habe ein Bandscheibenleiden, Schmerzen im Bereich der Schulter, der Halswirbelsäule, der Arme und Hände, Leiste, Beine und Füße sowie Kopfschmerzen und Ohrgeräusche; ihre Psyche sei nicht in Ordnung, sie sei blaseninkontinent, habe Magen- und Darmprobleme sowie Durchblutungsstörungen an Händen und Füßen, sie sei oft müde, niedergeschlagen und leide unter Konzentrationsstörungen. Nachts könne sie vor Schmerzen nicht schlafen und müsse täglich Medikamente wegen ihrer Psyche nehmen. Dr. S. verblieb mit Stellungnahme vom 15.12.2014 bei seiner Auffassung, weitere Aufklärung sei nicht notwendig. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 27.02.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, mit der die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung beantragt. Bereits die Sachaufklärung der Beklagten werde für unzureichend gehalten. Aufgrund der massiven psychischen Erkrankung mit massiven somatoformen Auswirkungen sei das Leistungsvermögen der Klägerin derzeit auf unter drei Stunden reduziert.
Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 21.05.2015 darauf hingewiesen, dass es die Zurückverweisung der Sache an die Beklagte nach § 131 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid beabsichtige. Mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2015 hat es sodann den Bescheid vom 27.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2015 aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Entscheidung an die Beklagte zurückverwiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die Verwaltung nach § 131 Abs 5 Satz 1 SGG lägen vor. Entgegen ihrer Verpflichtung zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts habe die Beklagte nicht die erforderlichen medizinischen Ermittlungen angestellt. Das aktuelle berufliche Leistungsvermögen der Klägerin sei nicht geklärt. Weder habe die Beklagte ihren medizinischen Dienst zur persönlichen Untersuchung und Begutachtung der Klägerin eingeschaltet, noch seien die vorhandenen medizinischen Untersuchungsergebnisse umfassend erhoben worden. Insbesondere sei der Hausarzt nicht befragt worden, sondern die Beklagte habe sich nur auf die von der Klägerin vorgelegten Befundberichte einzelner Fachärzte gestützt. Vor allem im Hinblick auf die von Dr. W. fachfremd erhobene Verdachtsdiagnose einer somatisierten Depression wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen, denn die Klägerin habe sich zur Begründung ihres Rentenantrags auf psychische Störungen berufen. Zwar könne das SG im Wege seiner Amtsermittlungspflicht diese unterbliebenen umfangreiche...