Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung einer Sonderzulassung zur Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit. Klagebefugnis gegen die Zulassung eines Dritten. Zulässigkeit einer defensiven Konkurrentenklage. Abschluss eines Belegarztvertrages in gesperrtem Planungsbereich nur bei nicht zu findendem Vertragsarzt. Anspruch des unterlegenen Bewerbers auf Überprüfung der Zulassungsentscheidung. Voraussetzungen für das Anforderungsprofil im Auswahlverfahren. grundsätzliche Ausübbarkeit der belegärztlichen Tätigkeit durch niedergelassene Ärzte. Überversorgung. Ordnungsgemäße Ausschreibung. Endoprothetische Operationen

 

Orientierungssatz

1. Zur Klagebefugnis im Planungsbereich niedergelassener Mitbewerber um eine Belegarztstelle gegen die Zulassung eines Dritten bei der Sonderzulassung von Belegärzten in überversorgten Planungsbereichen iSv § 103 Abs 7 SGB 5 (vgl BSG vom 14.3.2001 - B 6 KA 34/00 R = BSGE 88, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6).

2. Die Klage ist als defensive Konkurrentenklage zulässig (vgl BSG vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R).

3. In einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich darf ein Krankenhausträger einen Belegarztvertrag mit einem dort nicht bereits niedergelassenen Vertragsarzt nur abschließen, wenn sich in dem Planungsbereich kein Vertragsarzt für die Tätigkeit findet.

4. Der unterlegene Bewerber kann die Überprüfung der Zulassungsentscheidung, in der die Zulassungsgremien die Ordnungsgemäßheit der Auswahlentscheidung zu überprüfen haben, nur daraufhin überprüfen lassen kann, ob die Belegarztstelle ordnungsgemäß ausgeschrieben worden ist, ob er als Mitbewerber nach Qualifikation, Schwerpunktsetzung und der räumlichen Lage seiner Praxis als grundsätzlich geeignet und persönlich auch willens anzusehen ist, unter den üblichen Bedingungen im Krankenhaus belegärztlich tätig zu werden und ob die Entscheidung des Krankenhausträgers, mit ihm keinen Belegarztvertrag abzuschließen, auch unter Beachtung der dem Krankenhausträger insoweit zukommenden Auswahl- und Abschlussfreiheit im Hinblick auf den Vorrang der bereits niedergelassenen Ärzte sachgerecht ist.

5. Für die Auswahlentscheidung ist ein transparentes, allen Bewerbern gegenüber gleiches Anforderungsprofil der konkreten belegärztlichen Tätigkeiten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht sowie die Angabe von Kriterien für die Auswahlentscheidung unerlässliche Voraussetzung (vgl BSG vom 2.9.2009 - B 6 KA 27/08 R = SozR 4-2500 § 103 Nr 5 RdNr 33). Dem würde es nicht entsprechen, wenn die maßgeblichen Kriterien derart speziell wären, dass sie allein von einer bestimmten - nämlich der vom Krankenhausträger favorisierten - Person erfüllt werden könnten.

6. Die Vorgaben des BSG in seiner Entscheidung zu § 103 Abs 7 SGB 5 vom 14.3.2001 -B 6 KA 34/00 R aaO, der Normzweck der Regelung liege darin, die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit zu fördern und gleichzeitig einen Anstieg der Überversorgung zu verhindern, erfordern, dass die belegärztliche Tätigkeit grundsätzlich ein Spektrum umfasst, das von niedergelassenen Ärzten des jeweiligen Fachgebietes auch ausgeübt werden kann.

 

Normenkette

SGB V § 103 Abs. 7; GG Art. 19 Abs. 4

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.04.2015; Aktenzeichen B 6 KA 48/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2012 und der Beschluss des Beklagten vom 06.04.2011/Bescheid vom 29.08.2011 aufgehoben.

Der Beklagte und der Beigeladene Ziff. 1 tragen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 - 8 je zur Hälfte. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladenen Ziff. 1 und 8 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2 - 7 je zu einem Drittel.

Der Streitwert wird endgültig auf 302.250,00 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen Ziff. 1 erteilte Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit im Wege der Belegarzt-Ausnahmezulassung für die chirurgische Belegabteilung am Krankenhaus M., dessen Träger die Beigeladene Ziff. 8 ist.

Der 1951 geborene Kläger ist seit 25.08.1999 als Facharzt für Chirurgie in M. am N. zugelassen; der Praxisstandort liegt ca. 800 m vom Krankenhaus M. entfernt. Zuvor war er u.a. 9 Jahre lang als Oberarzt in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses M. als Oberarzt tätig.

Dem 1962 geborenen Beigeladenen Ziff. 1 wurde am 27.01.1997 die Anerkennung als Facharzt für Chirurgie, am 26.07.1999 die Anerkennung im Teilgebiet Unfallchirurgie und am 09.01.2001 die Anerkennung im Bereich Notfallmedizin erteilt. Seit 3.6.2009 darf er auch die Schwerpunktbezeichnung Orthopädie führen. Er war seit dem 01.10.1995 als Oberarzt am Krankenhaus B. der Beigeladenen Ziff. 8 tätig.

Der Beigeladene Ziff. 8 betreibt Kliniken u.a. in L., B.-B., V. und M. und sichert nach eigenen Angaben in 5 Häusern mit insgesamt 4000 Mitarbeitern die Grundversorgung für rund eine halbe Million Menschen.

Das Krankenhaus M. verfügt nach d...

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