Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Antrag auf Verschiebung des Bezugszeitraums. Ablauf des möglichen Bezugszeitraums. Anfechtung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Pflichtverletzung des Sachbearbeiters. Hinterfragen von Angaben im Antrag. Vorbehalt der Vorläufigkeit. Endgültige Festsetzung. Anfechtung wegen Irrtums. Erstattung
Leitsatz (amtlich)
Ein Antrag auf Änderung des Bezugszeitraums für Elterngeld kann nach Ablauf des Bezugszeitraums nicht mehr wirksam gestellt werden. Dies gilt auch, wenn der Antragsteller geltend macht, Elterngeld nur versehentlich für einen Lebensmonat des Kindes beantragt zu haben, in dem er tatsächlich voll gearbeitet hat.
Orientierungssatz
1. Über eine Anfechtung der Antragstellung wegen Irrtums nach § 119 Abs 1 BGB lässt sich keine rechtzeitige Antragstellung herbeiführen.
2. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt eine Pflichtverletzung der Behörde voraus. Es würde allerdings eine Überspannung der Sorgfaltspflichten der Mitarbeiter der Behörde bedeuten, wenn verlangt würde, dass eindeutige und klare schriftliche Erklärungen wie die Festlegung des Bezugszeitraums im Antrag in Zweifel gezogen und hinterfragt werden müssten.
3. Soweit aufgrund der vorläufigen Leistungsbewilligung Elterngeld bezahlt wurde, sind diese Zahlungen auf die endgültig bewilligte Leistung anzurechnen; zu viel gezahlte Vorschüsse sind zu erstatten (vgl LSG Stuttgart vom 18.5.2010 - L 11 R 3189/09).
Normenkette
BEEG § 1 Abs. 1, 6, § 7 Abs. 1-2, § 8 Abs. 3; BGB § 119 Abs. 1, § 142 Abs. 1; SGB X § 39 Abs. 2; SGB I § 42 Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.05.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist eine Rückforderung von Elterngeld im Rahmen der endgültigen Festsetzung der Leistung.
Der 1968 geborene, verheiratete Kläger ist Vater der am 11.01.2007 geborenen L. I. und der am 18.09.2008 geborenen E. M. (im Folgenden: E). Er lebt mit Ehefrau und beiden Töchtern in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht E selbst. Er ist seit 1994 als selbstständiger Handelsvertreter für die L. Baden-Württemberg tätig.
Am 29.09.2008 beantragte der Kläger Elterngeld für die Zeit vom 18.09. bis 17.10.2008 und 24.08. bis 23.09.2009 und legte eine Bestätigung der L. vor, dass in der Zeit vom 18.09. bis 17.10.2008 wegen Elternzeit keine Zahlungen an den Kläger geleistet würden. Am 10.11.2008 korrigierte der Kläger den zweiten Zeitraum auf die Zeit vom 18.08. bis 17.09.2009, also den 12. Lebensmonat von E, nachdem ihn ein Mitarbeiter der Beklagten telefonisch darauf hingewiesen hatte, dass Elterngeld nur für Lebensmonate des Kindes beantragt werden könne. Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger am 09.12.2008 noch eine Gewinnermittlung für die Zeit vom 18.08. bis 17.09.2009 vor, in der Einkünfte von 0 € angegeben waren.
Mit Bescheid vom 05.02.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Elterngeld für den 1. und 12. Lebensmonat von E in Höhe von monatlich 1.980 €. Nach Feststellung des tatsächlichen Einkommens werde das Elterngeld neu berechnet, zu viel gezahlte Beträge seien zu erstatten.
Auf Anforderung der Beklagten vom 02.11.2010 legte der Kläger im März 2011 die Jahresabschlüsse 2008 und 2009 vor. Auf den von der Beklagten zusätzlich geforderten Nachweis über die Einkünfte im 12. Lebensmonat von E legte der Kläger eine Bescheinigung der L. vor, dass von dieser an ihn vom 18.09. bis 17.10.2009 keine Zahlungen erfolgt seien. Nach einem Hinweis, dass der 12. Lebensmonat von E den Zeitraum 18.08. bis 17.09.2009 umfasse, kündigte der Kläger am 24.03.2011 telefonisch an, den Bezugszeitraum ändern zu wollen. Er habe tatsächlich im 13. Lebensmonat von E Elternzeit genommen. Die L. bestätigte der Beklagten auf Nachfrage, dass der Kläger die Elternzeit für den 2. Bezugsmonat vom 24.08. bis 23.09.2009 auf 18.09. bis 17.10.2009 abgeändert habe und auch in dieser Zeit tatsächlich in Elternzeit gewesen sei. Die Änderung sei am 11.09.2009 telefonisch erfolgt. Im 12. Lebensmonat von E hatte der Kläger voll gearbeitet (40 Stunden/Woche).
Mit Änderungsbescheid vom 08.04.2011 setzte die Beklagte das Elterngeld endgültig fest. Für den 1. Lebensmonat blieb es bei der Bewilligung in Höhe von 1.980 €, für den 12. Lebensmonat von E bestehe kein Anspruch, da die Erwerbstätigkeit des Klägers in diesem Monat im Durchschnitt 30 Wochenstunden übersteige. Eine Änderung vom 12. auf den 13. Lebensmonat sei nicht mehr möglich, nachdem die Beträge bereits ausgezahlt seien. Für den 12. Lebensmonat werde die Bewilligung aufgehoben und der Betrag von 1.980 € nach § 50 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgefordert.
Mit seinem Widerspruch vom 21.04.2011 machte der Kläger geltend, er habe das Elterngeld versehentlich für den 12. statt für den 13. Lebensmonat beantragt. Die Beklagte führte mit Schreiben vom 03.05.2011 eine Anhörung des Klägers durch und wies sodann mi...