Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Anspruch eines minderjährigen Beschädigten auf Ausgleichsrente. Bemessung des Bedarfs nach dem Unterhaltsrecht. Deckung der Bedarfe aus Unterhaltsansprüchen. keine Berücksichtigung von schädigungsbedingten Mehrbedarfen. Barunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle. keine Monetarisierung des von Eltern erbrachten Naturalunterhalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung einer Ausgleichrente nach § 32 Abs 1, § 34 BVG an einen minderjährigen Beschädigten ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Bedarf bereits vollständig aus eigenem Einkommen oder Unterhaltsansprüchen gedeckt wird.
2. Für die Feststellung des Bedarfs und seine etwaige Deckung ist auf das bürgerliche Unterhaltsrecht abzustellen. Schädigungsbedingte Mehrbedarfe sind dabei nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Sie werden ggfs durch eine bezogene Grundrente abgedeckt. Der Bedarf an Pflege und Erziehung ist ebenfalls nicht zu berücksichtigen, soweit dieser in natura befriedigt wird.
Orientierungssatz
Der Anwendung der Düsseldorfer Tabelle im Rahmen der Berechnung der Ausgleichsrente kann nicht entgegengehalten werden, hierdurch werde die soziale Ungleichheit minderjähriger Schwerbeschädigter "importiert".
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Ausgleichsrente aufgrund eines Impfschadens.
Die 1998 geborene und im Landkreis R. wohnhafte Klägerin, portugiesische Staatsangehörige, erhielt am 17. November 2009 eine Impfung gegen die pandemische Influenza A/H1N1/v mit dem Impfstoff Pandemrix. Ab Januar 2010 trat bei ihr Tagesmüdigkeit auf, seit März 2010 Kataplexien (affektiv ausgelöste Episoden des Verlusts des Muskeltonus). Im März 2011 konnte schließlich die Diagnose Narkolepsie/Kataplexie gesichert werden (Bericht des Prof. Dr. Me. vom 18. März 2011, H. Klinik in Sw.).
Am 31. Mai 2012 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter D. S., die Gewährung von Versorgungsleistungen wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) beim Landratsamt R.. Mit Erstanerkennungsbescheid vom 24. September 2014 erkannte dieses nach vorangegangener Begutachtung durch Dr. Eg. und positiver Auskunft des P.-Instituts eine Narkolepsie mit Kataplexie als Impfschaden an. Hierdurch sei die Klägerin ab dem 1. Mai 2012 in ihrer Erwerbsfähigkeit um 70 gemindert. Ab dem 1. Mai 2012 erhalte sie eine Grundrente in Höhe von 400,00 € monatlich, ab dem 1. Juli 2012 in Höhe von 409,00 €, ab dem 1. Juli 2013 in Höhe von 410,00 € und ab dem 1. Juli 2014 in Höhe von 417,00 €.
Mit Schreiben vom 4. November 2014 bat der Beklagte um eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin, um Ansprüche auf weitere Versorgungsleistungen prüfen zu können.
Die Klägerin teilte am 19. November 2014 mit, nicht verheiratet zu sein und über keine Einkünfte oder Vermögen zu verfügen. Die Eltern der Klägerin, D. und J. S., gaben an, seit 1993 verheiratet zu sein. Neben der Klägerin hätten sie einen am 16. November 1995 geborenen Sohn, welcher sich in einer Ausbildung befinde und ein monatliches Einkommen von 685,69 € habe. Ergänzend legten sie einen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014 vor, nach welchem das zu versteuernde Einkommen der zusammen veranlagten Eheleute 36.343,00 € betrage. Weiter teilten sie mit, Eigentümer einer selbst bewohnten Doppelhaushälfte zu sein.
Im Rahmen der Berechnung der Ausgleichsrente setzte der Beklagte ab dem 1. Mai 2012 nach der sog. Düsseldorfer Tabelle, Stand 2011, einen Bedarf der Klägerin in Höhe von 512,00 € und einen Kindergeldbetrag von 184,00 € als Nettoeinkommen an. Bezüglich des Bedarfs der unterhaltspflichtigen Eltern ging der Beklagte zunächst von einem Kontrollbetrag von 1.050,00 € zuzüglich eines Bedarfs von 770,00 € der Ehefrau und 512,00 € für das weitere Kind an. Das Nettoeinkommen betrage 3.000,00 € monatlich und es bestehe ein 5 %iger Abzug hiervon berufsbedingt. Innerhalb des Nettoeinkommens war das Kindergeld für das zweite Kind berücksichtigt.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 lehnte der Beklagte daraufhin die Gewährung einer Ausgleichsrente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres nach § 34 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab. Bei der Klägerin bestehe unter Abzug des Kindergeldes kein Bedarf, der durch die unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht gedeckt werden könne.
Mit ihrem darauf am 9. Februar 2015 erhobenen Widerspruch führte die Klägerin aus, die Bestimmung der Ausgleichsrente nach unterhaltsrechtlichen Kriterien sei nach dem Gesetz keinesfalls zwingend. Weiter sei die Düsseldorfer Tabelle 2011 nur für die Berechnung des Jahres 2012 heranzuziehen. Für die Ermittlung des Bedarfs der Unterhaltspflichtigen für 2013/2014 sei die Düsseldorfer Tabelle Stand Januar 2013 zu berücksichtigen. Danach erhöhten sich die Bedarfssätze auf 800,00 € für nicht erwerbstätig...