Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrauensschutz nach § 237 Abs 5 SGB 6. Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente und der Vertrauensschutzregelungen. Rang und Reichweite der MRK innerhalb der deutschen Rechtsordnung

 

Orientierungssatz

1. Besteht ein Vertrauensschutz nach § 237 Abs 5 SGB 6, bedeutet dies nicht, dass die vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit abschlagsfrei zu gewähren ist.

2. Die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente und die Vertrauensschutzregelungen sind auch verfassungsgemäß (vgl BVerfG vom 11.11.2008 - 1 BvL 3/05 ua = BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 und vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 = BVerfGK 15, 59 sowie BSG vom 5.5.2009 - B 13 R 77/08 R, vom 19.11.2009 - B 13 R 5/09 R = SozR 4-2600 § 236 Nr 1 und vom 25.2.2010 - B 13 R 41/09 R).

3. Zu Rang und Reichweite der MRK und der Zusatzprotokolle innerhalb der deutschen Rechtsordnung (vgl BVerfG vom 4.5.2011 - 2 BvR 2333/08 ua = BVerfGE 128, 326).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.10.2017; Aktenzeichen B 13 R 140/14 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit bezieht, wendet sich gegen Rentenabschläge.

Die am 1947 im Beitrittsgebiet geborene Klägerin, war zuletzt bei der Firma E. Deutschland GmbH beschäftigt. Am 30. Juni 2003 schlossen die Klägerin und die Firma E. Deutschland GmbH einen Vertrag über Altersteilzeit, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Juli 2003 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wurde und ohne Kündigung am 30. Juni 2007 endete.

Die Klägerin beantragte am 8. Februar 2007 Altersrente für Frauen zum 1. Juli 2007. Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 bewilligte ihr die Beklagte Altersrente für Frauen ab 1. Juli 2007 in Höhe von monatlich € 982,40 brutto (netto € 885,64). Bei der Rentenberechnung verminderte sie den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat, für den die Klägerin die Rente vorzeitig in Anspruch genommen habe, um 0,003, damit insgesamt für 60 Kalendermonate um 0,180, und berücksichtigte dementsprechend einen Zugangsfaktor von 0,820. Ausgehend von der Summe aller Entgeltpunkte für nicht im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 16,3531 und für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 33,2808 legte die Beklagte der Rentenberechnung danach 13,4095 persönliche Entgeltpunkte und 27,2903 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrunde.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie wandte sich gegen den Rentenabschlag und vertrat die Auffassung, dass ein solcher bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit nach § 237 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht käme. Von Seiten der Beklagten hätte sich insoweit ein Beratungsbedarf von Amts wegen aufgedrängt. Wegen der noch nicht eingetretenen Bindungswirkung des Rentenbescheids sei ein Wechsel der Rentenart aber ohnehin noch möglich. Rein fürsorglich beantragte sie Rente wegen Altersteilzeit bzw. bat um Umdeutung ihres Antrages in den entsprechend günstigeren Rentenantrag.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab 1. Juli 2007 in Höhe von monatlich € 982,40 brutto (netto € 885,64). Bei der Rentenberechnung verminderte sie ebenfalls den für diese Rente geltenden Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat, für den die Klägerin die Rente vorzeitig in Anspruch genommen habe, um 0,003, damit insgesamt für 60 Kalendermonate um 0,180 und berücksichtigte dementsprechend einen Zugangsfaktor von 0,820. Erneut legte sie ausgehend von der Summe aller Entgeltpunkte in Höhe von 16,3531 für nicht im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten und für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Zeiten in Höhe von 33,2808 der Rentenberechnung 13,4095 persönliche Entgeltpunkte und 27,2903 persönliche Entgeltpunkte (Ost)zugrunde.

Die Klägerin vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Rente nach Altersteilzeit ohne Abschläge zu zahlen sei. Sie habe die Vereinbarung über die Altersteilzeit am 30. Juni 2003 getroffen. Somit seien die Voraussetzungen des § 237 Abs. 5 SGB VI dahingehend erfüllt, dass die Altersgrenze nicht angehoben werde. Die Nichtanhebung der Altersgrenze habe zur Folge, dass es keine Abschläge gebe. § 237 Abs. 5 SGB VI verweise nicht auf § 237 Abs. 3 SGB VI. Seinerzeit sei ihr auch eine andere Auskunft hinsichtlich ihrer Rentenhöhe gegeben worden. Vor diesem Hintergrund habe sie die Tätigkeit aufgegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle die Widersprüche gegen die Besc...

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