Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Elterngeld. Forschungsstipendium in den USA. Wohnsitz im Inland. mehr als einjähriger Auslandsaufenthalt. unbezahlter Urlaub. Rumpfarbeitsverhältnis. kein weiteres Arbeitsverhältnis im Ausland. Gleichheitssatz. Schutz der Familie. Sozialstaatsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ehefrau eines bei einer Universitätsklinik angestellten Arztes, der unter Wegfall des Anspruchs auf Entgelt von seiner Arbeitgeberin beurlaubt wurde und im Rahmen eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft an einer Universität in den USA wissenschaftlich tätig ist, hat für die Dauer eines gemeinsamen Aufenthalts der Familie in den USA keinen Anspruch auf Elterngeld.

 

Orientierungssatz

1. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (juris: SozSichAbk USA) gilt nicht für Elterngeldleistungen und ist auf diese auch nicht übertragbar.

2. Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen die Feststellung der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung allein nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen (vgl LSG Stuttgart vom 22.1.2013 - L 11 EG 3335/12 und BSG vom 28.5.1997 - 14/10 RKg 14/94 = SozR 3-5870 § 2 Nr 36).

3. Ein Rumpfarbeitsverhältnis, das durch eine zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten getroffene, den ursprünglichen Arbeitsvertrag abändernde Abrede über das Ruhen der Hauptpflichten auf Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt und das “automatische„ Wiederaufleben der Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Vertrag bei Beendigung des Auslandseinsatzes gekennzeichnet ist, reicht für die Ausstrahlungswirkung des § 4 SGB 4 nicht aus (vgl BSG vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 = BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 und vom 18.12.2015 - B 2 U 1/14 R = SozR 4-2400 § 4 Nr 2).

4. Ob im Ausland ein weiteres Arbeitsverhältnis begründet wird, ist nicht entscheidend.

5. Diese Auslegung des § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 BEEG in der Fassung vom 5.12.2006 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 GG), das Gebot des Schutzes der Familie (Art 6 GG) oder das Sozialstaatsprinzip (Art 20 GG).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Elterngeld für den Zeitraum 12.12.2012 bis 11.12.2013.

Die 1977 geborene Klägerin und ihr Ehemann sind Ärzte an der Universitätsklinik F. Aus der Ehe sind die Kinder J., geboren 2011, und N. J., geboren 2012, in N., U. (im Folgenden: N) hervorgegangen. Die Klägerin unterbrach ihre Berufstätigkeit nach der Geburt ihrer Söhne wegen Elternzeit und nahm diese im Januar 2015 in Teilzeit wieder auf. Der Ehemann der Klägerin war vom 01.07.2012 bis Ende 2014 im Rahmen eines zunächst bis 31.12.2013, später um ein Jahr verlängerten Stipendiums der DFG an der C. Universität in N. wissenschaftlich tätig. In seiner Tätigkeit für die Universitätsklinik F. war er während dieser Zeit unter Wegfall des Entgelts beurlaubt.

Am 29.01.2013 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von N. Sie gab an, ihr Ehemann halte sich seit 18.06.2012 in den U. auf, sie selbst seit 27.07.2012. In Deutschland werde sie sich voraussichtlich vom 28.03. bis 22.04. sowie jeweils zwei bis vier Wochen im Sommer und an Weihnachten verbringen. Sie könne dann unentgeltlich bei ihrer Mutter wohnen, wie zuletzt vor dem Auslandsaufenthalt.

Mit Bescheid vom 28.02.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab, da die Klägerin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 11.03.2013 Widerspruch. Sie habe ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Unter der Adresse B. in F. stehe für sie und ihre Kinder eine abgetrennte Wohnung mit drei Zimmern und zwei Badezimmern zur Verfügung. Dort befänden sich auch ihre privaten Gegenstände und geschäftlichen Unterlagen. Ihr Ehemann halte sich für ca 1½ Jahre zu einem konkreten Forschungsprojekt in den U. auf und werde nach Ablauf des Stipendiums den bestehenden Vertrag an der Universitätsklinik F. wieder aufnehmen. Das Stipendium stelle lediglich eine Unterstützung für die Lebenshaltungskosten im Ausland dar, eine Vergütung erhalte der Stipendiat nicht. Der Kläger stehe daher in keinem ausländischen Beschäftigungsverhältnis. Die Forschung in den U. sei inhaltlich in die bisherige Forschungstätigkeit in F. eingegliedert. Auch die Klägerin wolle nach der Elternzeit wieder als Ärztin in F. tätig sein. Beide Eheleute seien mit den Kindern in Deutschland krankenversichert und zahlten Beiträge zur berufsständischen Versorgung. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-U. seien sie weiterhin in Deutschland steuerpflichtig. Die erwerbswirtschaftliche Basis der Familie liege damit ausschließlich in Deutschland. Nach den Gesamtumständen habe die Klägerin und ihre Famil...

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