Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch. Wohnsitz. gewöhnlicher Aufenthalt. Gemeinschaftsrecht. Berücksichtigung von zeitweise in einem anderen Mitgliedstaat lebenden Kindern einer selbständigen Künstlerin
Orientierungssatz
1. Zum Kindergeldanspruch einer in einem deutschen Alterssicherungssystem versicherungspflichtigen selbständigen Künstlerin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland für ihre zeitweise in Portugal lebenden Kinder (vgl EuGH vom 30.1.1997 - C-4/95 = ABl EG 1997, Nr C 74, 9 = SozR 3-6050 Art 73 Nr 10).
2. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld (Kg) für die Zeit von September 1990 bis einschließlich August 1995 in Höhe von 68.823,-- DM streitig.
Die 1964 geborene Klägerin schloss erstmals im März 1983 in Portugal eine Ehe, aus der ihre Kinder Regina (geb. ....1983), Johanna (geb. ....1986) und Joelle (geb. ....1987) hervorgegangen sind. Diese Ehe wurde am ...1988 vor dem Familiengericht F geschieden und die elterliche Sorge der Klägerin übertragen. ....1989 heiratete die Klägerin den portugiesischen Staatsangehörigen Carvalho R. ....1989 wurde ihr Kind Samanta geboren.
Im April 1990 (Bl. 102 Verwaltungsakte -- VA) beantragte die Klägerin, die sich in ihrem Antrag selbst als Künstlerin bezeichnet, erneut Kg für ihre vier Kinder. Als Wohnort gab die Klägerin die B Str. 19 in ... I an. Im September 1990 wurde dem Arbeitsamt die neue Anschrift im H 46 in I bekannt. In der Folgezeit wurde der Klägerin von September 1990 bis März 1991 Kindergeld für ihre vier Kinder in Höhe von zusammen 4.480,-- DM gewährt (vgl. Aufstellung Bl. 238 VA).
Im Februar 1991 wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin nicht mehr im H 46 wohnt (Bl. 124 VA). In der Folgezeit erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin ....1991 ihre Tochter Margarete geboren hat und seit 29.05.1991 in der Sch.-Str. ... in ... F bei ihrer Mutter, Karin G, gemeldet gewesen ist. In den nachfolgenden, von der Klägerin vorgelegten Haushaltsbescheinigungen ist diese Anschrift wiederholt angegeben worden. Nach einer portugiesischen Bescheinigung vom 11.06.1991 (B1. 134 VA) wurde die Tochter Margarete in S, Portugal, geboren. Im März 1992 teilte die Klägerin der Beklagten unter ihrer Anschrift in F, Sch.-Str. 178, mit, dass Margarete ....1992 in Portugal verstorben ist (Bl. 151 VA).
In der Folgezeit legte die Klägerin auch verschiedene Steuerbescheide zur Gewährung von Kindergeldzuschlag (KGZ) vor, in denen immer die Anschrift in F, Sch.-Str. 178 angegeben wird. Insgesamt erhielt die Klägerin von September 1990 bis einschließlich August 1995 von der Beklagten für ihre vier bzw. fünf und seit Geburt der Kinder Baudouin ....1992 und Alina ....1995 sogar sechs Kinder Kg in Höhe von insgesamt 52.000,-- DM (Bl. 238 VA). Von September 1990 bis August 1995 erhielt sie zusätzlich KGZ in Höhe von 16.823,-- DM (Bl. 239 VA).
Am 14.07.1995 ging beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein anonymer Brief aus Portugal ein, wonach sich die Klägerin mit ihrer Familie überwiegend dort in S C aufhalte und sich mit dem aus Deutschland bezogenen Kg aufgrund des günstigen Umrechnungskurses ein angenehmes Leben verschaffe (Bl. 230 VA). Dieses Schreiben wurde dem Arbeitsamt F, Kindergeldkasse, zur weiteren Prüfung übersandt, woraufhin dieses Ermittlungen einleitete und dabei Folgendes feststellte: Nach einer Unterredung mit der Mutter der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Klägerin und ihre Familie zumindest seit Herbst 1990 ihren .Lebensmittelpunkt in Portugal habe, da zu diesem Zeitpunkt die 1983 geborene Tochter Regina in Portugal eingeschult worden sei. Inzwischen gingen auch die Kinder Johanna, Joelle und Samanta in Portugal zur Schule. In Deutschland habe bisher keines der Kinder die Schule besucht. Ein ständiger Aufenthalt in der Sch.-Str. 178 in F sei bereits aufgrund der Wohnungsgröße von etwa 67 qm (ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, Küche und Bad) kaum möglich. Nach Angaben der Mutter der Klägerin sei deren gesamte Familie zuletzt 1992 in F gewesen. Die Klägerin selbst sei zuletzt zur Entbindung ihres jüngsten Kindes Alina (geb. ....1995) in F gewesen. Ein weiteres Indiz, dass die Klägerin und ihre Familie nicht in der Sch.-Straße gewohnt habe, sei auch, dass der Sohn von Frau G Endrik, bis zu seiner Heirat im Februar 1992 bei seiner Mutter gewohnt habe. Auch gebe es keine persönlichen Gegenstände der Klägerin bzw. von deren Familienangehörigen in der Wohnung. Die Mutter der Klägerin habe eine Kontovollmacht und habe das eingehende Kinder- und Erziehungsgeld von dem Konto in Deutschland weiter an eine Bank in Portugal überwiesen. Die Klägerin lebe in Santa C auf einem Grundstück mit ihrer Familie in drei Wohnwagen. Der Lebensunterhalt werde überwiegend durch den Bezug von Kinder- und Erziehungsgeld bestritten. Einen weiteren Teil des Unterhaltes bestreite die Familie auch aus dem Verkauf selbstä...