Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Einpersonenhaushalt in Freiburg. schlüssiges Konzept. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze anhand qualifizierter Mietspiegel. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - wie hier die Freiburger Mietspiegel 2007 und 2009 - können Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs 1 SGB 2 sein.
2. Wird der Durchschnittsmietpreis (Basismiete) eines qualifizierten Mietspiegels zugrunde gelegt, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen, ob es Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Quadratmeter-Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum in einer bestimmten Häufigkeit gibt; dies steht vielmehr aufgrund der qualifizierten Mietspiegel, der zur Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde gelegt wurden, und der Anwendung des Durchschnittswert dieser Mietspiegel fest (Anschluss an BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30).
3. § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 genügt als gesetzliche Anspruchsgrundlage den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die das BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 -1 BvL 1/09 ua = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 beschrieben hat (entgegen SG Mainz vom 8.6.2012 - S 17 AS 1452/09 = ZFSH/SGB 2012, 478, SG Dresden vom 25.1.2013 - S 20 AS 4915/11 und SG Leipzig vom 15.2.2013 - S 20 AS 2707/12 = info also 2013, 174).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts F. vom 10. Juli 2009 und die Bescheide des Beklagten vom 18. Mai 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2008 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 Kosten der Unterkunft und Heizung i.H. von 487,09 € und vom 1. Januar bis 31. März 2009 i.H. von 503,29 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. März 2009 hat.
Die Klägerin ist 1950 geboren und seit 2002 ohne Beschäftigung. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bezieht sie seit 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Sie bewohnt seit 1985 eine 76,83 qm große 3-Zimmerwohnung in F., für die sie seit 1. November 2007 497,- € Kaltmiete bezahlte, darüber hinaus eine Heizkosten- und Warmwasserpauschale von zunächst 37,50 € sowie weitere Nebenkosten (Betriebskosten) von monatlich 107,50 €. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung liegt in einem zwischen 1961 und 1977 hergestellten Mehrfamilienhaus.
Für die Stadt F. ist ein qualifizierter Mietspiegel erstellt. Für die Zeit ab 1. März 2007 (Datenerhebung im Juni und Juli bzw. September 2006; gültig bis Dezember 2008) wies der Mietspiegel für eine 45 qm große Wohnung einen durchschnittlichen Basismietpreis von 7,51 € je qm aus. Zusätzlich werden für bestimmte Ausstattungsvarianten Zu- bzw. Abschläge vorgesehen. Im Textteil des Mietspiegels ist des Weiteren ausgeführt, dass auch der F. Mietspiegel eine Spannbreite der Mietpreise ausweisen solle. In Abweichung vom Mietspiegel 2004, der konkrete Cent-Beträge als Spannengrenze vorgesehen habe, stelle man auf Prozentwerte um. Damit werde der bislang für alle Wohnungsgrößen gleich bleibende feste Cent-Betrag an die Wohnfläche gekoppelt und mögliche Ungleichbehandlungen von Wohnungen ausgeschaltet. Die Berechnung der Standardschätzfehler für verschiedene Wohnungstypen habe Prozentwerte zwischen 3% und 9% um die durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete bei Zugrundelegung einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 99% ergeben. Um keine anwenderunfreundlichen Differenzierungen vornehmen zu müssen, werde als einheitliche Ober- und Untergrenze der Spanne der höchste Wert, nämlich 9% verwendet. Entsprechende Ausführungen finden sich zum Mietspiegel 2009 (Anerkennung durch Gemeinderatsbeschluss vom 10. Februar 2009), wobei der durchschnittliche Quadratmeterpreis hier auf 7,87 € festgesetzt wurde.
Der Klägerin wurden neben den Grundsicherungsleistungen zunächst die vollen Kosten der Unterkunft bezahlt, ab 1. Januar 2005 427,50 € Grundmiete, anteilige Heizkosten von 28,50 € sowie sonstige Nebenkosten von 114,18 €, insgesamt 570,18 €.
Mit Schreiben vom 8. August 2005 wurde der Klägerin von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden auch: Beklagter) mitgeteilt, dass die Kosten der Unterkunft unangemessen hoch seien. Die Mietobergrenze sei ab 1. April 2003 auf 5,62 € je qm festgesetzt worden, so dass ihre Miete bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm die Mietobergrenze um 174,60 € übersteige. Sie werde daher aufgefordert, binnen sechs Monaten die Unterkunftskosten zu senken bzw. nachzuweisen, dass sie kontinuierlich nach ...