Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Bewertung der Leistungsfähigkeit aufgrund einer psychiatrischen Störung
Orientierungssatz
Bei der Bewertung der Erwerbsminderung aufgrund psychiatrischer Störungen ist zu beachten, dass es nicht allein auf den (aktuellen) Ausprägungsgrad ankommt. Vielmehr sind psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe. Solange Behandlungsoptionen auf psychiatrischen Fachgebiet, sei es ärztlicher, therapeutischer oder auch medikamentöser Art, bestehen, scheidet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung aus (vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 = juris RdNr 17 sowie vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2, LSG Stuttgart vom 25.5.2016 - L 5 R 4194/13 = juris RdNr 60 sowie LSG München vom 21.3.2012 - L 19 R 35/08 = juris RdNr 58).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Juli 2010.
Die 1966 geborene Klägerin absolvierte von September 1983 bis Juli 1985 erfolgreich eine Ausbildung zur Arzthelferin. In diesem Beruf war sie ab September 1985 mit kurzzeitigen Unterbrechungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit beschäftigt bis Dezember 2005. Anschließend bezog sie zunächst Krankengeld, ab 1. April 2006 Arbeitslosengeld - wiederum mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld - bis zum 11. März 2007. Vom 12. März bis 5. Juli 2007, 2. bis 7. April 2008 und 20. April bis 20. Juli 2009 war sie in verschiedenen Praxen als Arzthelferin versicherungspflichtig beschäftigt, unterbrochen jeweils von Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Vom 21. Juli 2009 bis 5. Januar 2011 bezog sie Krankengeld, anschließend vom 6. Januar 2011 bis 4. Januar 2012 Arbeitslosengeld I. Die Zeit seit dem 6. Januar 2012 ist im Versicherungsverlauf als krank/Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung gespeichert.
Am 14. Dezember 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zu deren Begründung sie unter anderem auf eine depressive Episode, Angst und depressive Störung gemischt, eine Angststörung mit Panikattacken im Stadium der Chronifizierung, ein allergisches Asthma, ein chronisches Halswirbelsäulen (HWS)- und Brustwirbelsäulen (BWS)-Syndrom, eine Steilstellung der Wirbelsäule und Gesundheitsstörungen am linken Knie verwies.
Die Beklagte zog zunächst Unterlagen der behandelnden Ärzte bei, so unter anderem einen Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12. Oktober 2009 (Angststörung mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit im Stadium der Chronifizierung; keine Tätigkeiten mit hoher Stressbelastung, Konzentrationsvermögen und Teamarbeit sowie Publikumsverkehr mehr möglich; die Anfahrtswege sollten aufgrund der Symptomatik gering zu halten sein). In ihrer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 8. März 2010 diagnostizierte diese eine Anpassungsstörung mit Panikattacken, eine soziale Phobie sowie eine selbst unsichere Persönlichkeit mit instabilen Zügen (Restleistungsvermögen von unter drei Stunden täglich).
Die Beklagte ließ die Klägerin zunächst durch Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H.-Z. begutachten. Diese diagnostizierte aufgrund einer Untersuchung am 28. Januar 2010 in ihrem Gutachten vom 2. Februar 2010 eine operativ behandelte laterale Tibiakopffraktur links 2007, eine arthroskopische Meniskusteilresektion 2005, einen retropatellaren Knorpelschaden, eine paravertebrale Muskelverspannung ohne Funktionsminderung sowie ein medikamentös kompensiertes allergisches Asthma bronchiale. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Knien, häufiges Klettern oder Steigen sowie ohne verstärkte Staubexposition könnten ebenso vollschichtig verrichtet werden wie eine Tätigkeit als Arzthelferin.
Aufgrund einer Untersuchung am 29. Januar 2010 erstellte Dr. Sc., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 1. Februar 2010 ein nervenärztliches Gutachten, in dem er auf seinem Fachgebiet eine Angstsymptomatik mit sozialer Phobie und Panikattacken sowie eine Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen diagnostizierte. Die Klägerin könne eine Tätigkeit als Arzthelferin (ohne Publikumsverkehr, z.B. Labor- oder Verwaltungstätigkeiten) sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Publikumsverkehr und überdurchschnittliche Stressbelastungen noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den...