Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit bei sechsstündigem arbeitstäglichen Leistungsvermögen des Versicherten
Orientierungssatz
1. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat nach § 43 Abs. 1 S. 1 SGB 6, wer auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
2. Kann der Versicherte eine Arbeitsleistung von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erbringen, so bedarf es keiner Benennung einer Verweisungstätigkeit.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 240
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1963 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Friseurin und war bis August 2009 in dem Beruf tätig. Seit dem 22. Februar 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab Juli 2009 Arbeitslosengeld. Geringfügige Beschäftigungen übte sie vom 1. Oktober 2013 bis 31. Mai 2014 beim F. Haarstudio und ab 1. November 2014 beim Hausmeisterdienst B. aus.
Im Oktober 2009 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. die medizinischen Unterlagen aus den Rehabilitationsverfahren der Klägerin bei und holte ein orthopädisches Gutachten des Dr. A. vom 10. Februar 2010 ein (Diagnosen: vertebragenes Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule/sensibles Radikulärsyndrom L5 links; Leistungsbild: leichte Tätigkeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr). Mit Bescheid vom 2. März 2010 lehnte sie eine Rentengewährung ab. Im Widerspruchsverfahren zog sie den Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik B. C. GmbH vom 11. August 2010 bei (Diagnosen: rezidivierendes sensibles und schmerzhaftes radikuläres Lumbalsyndrom links, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 im April 2008, Spondylolysthese Grad I L4/5, Verdacht auf Angststörung, grenzwertige Hypercholesterinämie; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr) und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2010 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen eingeholt und ein orthopädisches Gutachten des Dr. H. vom 10. April 2012 beauftragt. Dieser hat ein chronisch lumbales Postnukleotomiesyndrom bei Spondylolysthesis L4/L5 Grad I mit mittelgradiger Funktionseinschränkung der LWS und ein rezidivierendes thorakales Schmerzsyndrom, aktuell ohne relevante Funktionseinschränkung, diagnostiziert. Leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Tätigkeiten seien der Klägerin unter Maßgabe zusätzlicher Einschränkungen vollschichtig zumutbar. In seinem “psychiatrischen und psychotherapeutischen" Gutachten vom 7. November 2012 hat Dr. D. eine Panikstörung (F 41.0) diagnostiziert. Sie sei in der Lage, regelmäßig unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung von Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche Arbeiten zu verrichten.
Mit Urteil vom 4. Februar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, sie könne aus gesundheitlichen Gründen weder ihren Beruf als Friseurin noch eine im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zumutbare Verweisungstätigkeit verrichten. Ihre orthopädischen Leiden seien derart ausgeprägt, dass sie sie auch im häuslichen Umfeld stark beeinträchtigten. Eine Tätigkeit als Produktionshelferin, Poststellenmitarbeiterin oder Pförtnerin komme nicht in Betracht. Mit den Einschätzungen ihres Restleistungsvermögens im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 21. März 2016 und im Gutachten des Dr. K. sei sie nicht einverstanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 4. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2010 zu verurteilen, ihr ab dem 1. November 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.
Der Senat hat verschiedene Befundberichte mit Anlagen und ein psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 30. September 2014 eingeholt. Er hat auf seinem Fachgebiet die Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM F 45.41) und eine mittelgradige depressive Episode mit Panikattacken, DD: Panikstörung (ICD-10-GM F 32.1) gestellt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, regelmäßig mindestens drei...