Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs 5 SGG. gesteigerte Mitwirkungspflicht des § 51 Abs 2 SGB 1

 

Orientierungssatz

1. Zur Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs 5 SGG.

2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Anhörung und Befragung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Gewährung rechtlichen Gehörs und auch zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts ist ureigenste Aufgabe des Gerichts. Mit dem damit verbundenen Verfahrensaufwand kann eine Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs 5 SGG von vornherein nicht begründet werden.

3. Zur gesteigerten Mitwirkungspflicht im Rahmen des § 51 Abs 2 SGB 1.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.01.2016; Aktenzeichen B 13 R 411/15 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.08.2013 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung einer Beitragsforderung mit seiner Altersrente.

Der 1946 geborene Kläger bezieht seit 01.01.2011 Altersrente von der Beklagten (Rentenbescheid vom 29.11.2010: monatlicher Zahlbetrag einschließlich Beitragszuschuss (150,51 €) ab 01.05.2011 870,08 €).

Mit Schreiben vom 24.09.2009 hatte die Beigeladene bei der Beklagten die Verrechnung bzw. Vormerkung der Verrechnung einer Beitragsforderung von insgesamt 208.741,45 € mit dem Anspruch des Klägers auf Altersrente beantragt. Bei der Forderung, deren Vollstreckbarkeit bestätigt werde, handele es sich um rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge (aus einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers und aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma M. GmbH - Schreiben der Beigeladenen vom 12.11.2012). Unter dem 06.04.2011 teilte die Beigeladene ergänzend mit, die Forderung setze sich aus einer Hauptforderung von 75.524,74 € und Säumniszuschlägen von 147.561,71 € (Gesamtforderung mittlerweile 223.086,45 €) zusammen. Die Hauptforderung sei am 15.12.1993 entstanden und mit Bescheid vom 17.01.1996 festgestellt worden; der Bescheid sei bestandskräftig. Ein weiterer, ebenfalls bestandskräftiger (Feststellungs-)Bescheid sei unter dem 10.11.2004 ergangen. Zahlungsvereinbarungen mit dem Kläger seien nicht getroffen worden.

Mit Schreiben vom 12.04.2011 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Verrechnung an. Die Beigeladene habe sie ersucht und ermächtigt, eine Beitragsforderung (einschließlich Säumniszuschlägen) von 223.086,45 € mit seiner Rente zu verrechnen. Die Verrechnung sei bis zur Hälfte des Rentenzahlbetrags (derzeit: 719,57 € monatlich netto) zulässig, soweit der Kläger nicht nachweise, dass er dadurch hilfebedürftig i. S. d. Vorschriften des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XII - Sozialhilfe) über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende) werde. Die Verrechnung bis zur Hälfte des Rentenzahlbetrags sei möglich, da der Kläger nach ihren Unterlagen nicht sozialhilfebedürftig sei. Es ergebe sich ein verrechenbarer Betrag von 359,78 €. Beabsichtigt sei außerdem, von einer Nachzahlung (Bescheid vom 29.03.2011) einen Betrag von 283,00 € zur Verrechnung einzubehalten. Der Kläger erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Falls er bereits hilfebedürftig sei oder infolge der beabsichtigten Verrechnung hilfebedürftig werde, möge er dies durch Vorlage einer aktuellen Bescheinigung des Sozialamts nachweisen. Diese Bescheinigung müsse ggf. zusätzlich den für ihn maßgebenden Betrag enthalten, ab dem bei einer Verrechnung Hilfebedürftigkeit eintreten werde.

Der Kläger erteilte seinem (jetzigen) Prozessbevollmächtigten am 29.04.2011 Vollmacht zur Vertretung im Verwaltungsverfahren. Im Anhörungsverfahren äußerte er sich nicht.

Mit Bescheid vom 27.05.2011 verfügte die Beklagte die Verrechnung der Beitragsforderung der Beigeladenen i. H. v. 223.086,45 € mit der Altersrente des Klägers i. H. v. 364,10 € monatlich. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Ausführungen im Anhörungsschreiben vom 12.04.2011 und führte ergänzend aus, der Kläger beziehe ab 01.07.2011 Rente i. H. v. 878,71 € monatlich. Der Verrechnungsbetrag errechne sich wie folgt: Monatsrente 878,71 € - Aufwendungen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers 150,51 € = 728,20 € : 2 = 364,10 €. Die Nachzahlung gemäß Bescheid vom 29.03.2011 i. H. v. 283,00 € werde einmalig verrechnet. Ab 01.07.2011 werde die Rente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 364,10 € ausgezahlt. Besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, nach Ermessen einen geringeren Betrag zu verrechnen bzw. von der Verrechnung abzusehen, lägen nicht vor. Die Interessen der Versichertengemeinschaft überwögen die Interessen des Klägers.

Am 07.06.2011 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung (ZPO) sollten entsprechend angewendet werden. Der ihm noch ausgezahlte Rentenbetrag liege ...

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