Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkender Eintritt der Sozialversicherungspflicht. Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen. Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze. grob fahrlässige Pflichtverletzung des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Zum (hier bejahten) rückwirkenden Eintritt der Versicherungspflicht bei Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2013 aufgehoben, soweit darin der Bescheid vom 6. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2012 hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht für die Monate Mai, Juni und Dezember 2011 sowie März bis Mai 2012 aufgehoben wurde; insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe wird hinsichtlich der Kostenentscheidung geändert.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen in erster Instanz die Klägerin zu 40%, die Beklagte zu 60% und in zweiter Instanz die Klägerin zu 85%, die Beklagte zu 15%. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert für beide Rechtszüge wird endgültig auf € 5.000,00 festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die rückwirkende Feststellung der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen wegen mehrfacher geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mit verschiedenen Arbeitgebern.
Der Beigeladene war von August 2003 bis 30. November 2008, 1. März 2009 bis 30. Juni 2011 und wieder ab dem 1. September 2011 bei der Fa. S. & F. I. GmbH (im Folgenden SF) als Hausmeister beschäftigt. Die Beschäftigungen wurden jeweils als geringfügige Beschäftigungen gemeldet. Die Höhe des monatlichen Arbeitsentgelts schwankte (gemeldetes Entgelt für März bis Dezember 2009 € 1.992,00, für Januar bis Dezember 2010 € 2.532,00). Für die Zeit von Januar bis Juni 2011 erzielte der Beigeladene Bruttoentgelt i.H.v. insgesamt € 1.549,50 (monatlich zwischen € 195,00 und € 299,40), für September bis Dezember 2011 € 130,20 und für Januar bis Mai 2012 € 320,80 (monatlich zwischen € 49,90 und 82,50).
Die klagende Aktiengesellschaft beschäftigt an 18 Standorten etwa 1.400 Mitarbeiter, darunter 100 Aushilfskräfte. Das Lohnbüro umfasst 2,5 Vollzeitstellen. Unter dem 16. Februar 2004 vereinbarten die Klägerin und der Beigeladene dessen Beschäftigung als Fahrer “ab 01.02.2004 im Rahmen einer geringfügigen Nebentätigkeit„ mit einer Vergütung in Höhe von € 6,50 pro Stunde. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst bis zum 31. Juli 2004 befristet, in der Folgezeit jedoch zunächst zu denselben Bedingungen fortgeführt. In einem ebenfalls am 16. Februar 2004 unterzeichneten Fragebogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung einer geringfügigen Beschäftigung gab der Beigeladene gegenüber der Klägerin an, seit August 2003 bei SF in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zwei bis sieben Stunden zu stehen. Hieraus erziele er ein monatliches Einkommen in Höhe von etwa € 200,00. Des Weiteren versicherte der Beigeladene in diesem Fragebogen, künftig jede Veränderung sowohl seiner Verdienstsituation als auch seiner arbeitszeitlichen Inanspruchnahme bei anderen Arbeitgebern sofort mitzuteilen. Nach Anmeldung dieser Beschäftigung bei der Beklagten bestätigte diese der Klägerin mit Schreiben vom 2. August 2005, das für die bei ihr ausgeübte geringfügig entlohnte Beschäftigung Versicherungsfreiheit vorliege. Die Klägerin wurde gebeten, “in regelmäßigen Abständen die Einhaltung der Entgeltgrenze zu prüfen„. Auf Anfrage der Beklagten gab die Klägerin am 29. Juni 2009 ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt für die Sozialversicherung (aus maximal den letzten zwölf abgerechneten Monaten) in Höhe von € 133,31 an. Für die Zeit von Januar bis April 2011 betrug das Bruttoentgelt des Beigeladenen bei der Klägerin insgesamt € 784,50 (monatlich schwankend zwischen € 179,86 und € 202,61). Ab Mai 2011 stieg dieses Bruttoentgelt auf monatlich schwankend zwischen € 314,80 und € 399,95 (insgesamt € 4.781,38 bis einschließlich Mai 2012).
Auf Anfrage der Beklagten im Mai 2012 nach dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt für die Sozialversicherung (aus maximal den letzten zwölf abgerechneten Monaten) teilten die Klägerin ein solches in Höhe von € 365,12 sowie SF in Höhe von € 41,50 mit. Daraufhin stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juni 2012 die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der bei der Klägerin ausgeübten Beschäftigung aufgrund der Zusammenrechnung mehrerer geringfügig entlohnter Minijobs ab Zugang des Bescheides (26. Juni 2012) fest. Zur Prüfung des rückwirkenden Eintritts der Versicherungspflicht wurde die Klägerin gebeten, die nach der Beitragsverfahrensordnung (BVV) erforderlichen Nachweise zu übersenden. Unter dem 28. Juni 2012 teilte die Klägerin darauf hin ohne Übersendung der angeforderten Unterlagen mit, seit dem 1. Juni 2012 ein durchsch...