Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht des Vorstandsmitglieds einer Vorgesellschaft. Aktiengesellschaft
Orientierungssatz
Das Argument, dass eine Gesellschaft mit dem Beurkundungsvorgang und der Übernahme aller Aktien durch die Gründer nach § 29 AktG errichtet sei und sich die vorherige Existenz der Gesellschaft auch aus § 41 Abs 2 S 1 AktG ergebe, überzeugt nicht, weil § 29 AktG keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat und nur regelt, wann die Vorgesellschaft entsteht (vgl LSG Darmstadt vom 29.8.2005 - L 8/14 KR 329/04).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rentenversicherungspflicht des als Vorstand einer Aktiengesellschaft und als Angestellten tätigen Klägers.
Die Beigeladene zu 2), eine Aktiengesellschaft unter der Firma J Vermögensverwaltungs- AG wurde am 06.11.2003 von dem Bankkaufmann P B und dem Kläger, der Betriebswirt von Beruf ist, gegründet. Der Sitz der Aktiengesellschaft (AG) ist in W, ihr Gegenstand die Verwaltung eigener Vermögenswerte. Das Grundkapital betrug 50.000 €. Durch Beschluss des Aufsichtsrats vom gleichen Tag wurden die Gründer zu allein vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern bestellt. Nach § 5 der Satzung der AG besteht der Vorstand aus einer oder mehreren Personen. Diese vertreten nach § 6 die Gesellschaft, gegebenenfalls mit Befugnis der Alleinvertretung. Die AG wurde am 16.08.2004 im Handelsregister eingetragen.
Am 30.11.2003 beantragte der Kläger die Feststellung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Er teilte mit, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der S Life Versicherung in F, der Beigeladenen zu 3), zu stehen und gleichzeitig Vorstand einer vermögensverwaltenden Aktiengesellschaft zu sein. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) beziehe sich die Befreiung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft von der Rentenversicherungspflicht nach § 1 Satz 4 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht nur auf Bezüge aus der Vorstandstätigkeit, sondern auch - unabhängig vom Umfang der Vorstandstätigkeit - auf etwaige Einkünfte aus einem daneben bestehenden Angestelltenverhältnis. Obwohl er hauptberuflich Angestellter bei einer Versicherung sei, könne er daher nicht mehr zur Rentenversicherung herangezogen werden.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 28.01.2004 ab, die begehrte Feststellung zu treffen. Zur Begründung hieß es, die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach Vorstandsmitglieder aufgrund ihrer starken wirtschaftlichen Stellung nicht des Schutzes der gesetzlichen Rentenversicherung bedürften, sei vom Bundestag zum 07.11.2003 revidiert worden. Ab dem 01.01.2004 beschränke sich die Befreiung von der Rentenversicherung für Vorstandsmitglieder nur noch auf deren Vorstandstätigkeit und konzernzugehörige Beschäftigungen. Das gelte uneingeschränkt für alle nach dem 06.11.2003 bestellten Vorstände. In Missbrauchsfällen sei diese Regelung auch für diejenigen Vorstände anzuwenden, die bereits vor diesem Datum als Vorstand bestellt worden seien. Um legal der gesetzlichen Rentenversicherung entgehen zu können, hätten Finanzberater in der letzten Zeit propagiert, die Vorstandstätigkeit innerhalb einer AG aufzunehmen. Finanzschwache Aktiengesellschaften, bei denen die Verstandsvergütung keine ausreichende und dauerhafte Absicherung der Vorstandsmitglieder gewährleiste, stellten sich als Missbrauch dieser bis zum 06.11.2003 offenen Gestaltungsmöglichkeit dar.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, ausweislich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Befreiung von Vorstandsmitgliedern von der Rentenversicherungspflicht sei allein auf eine formale und typisierende Betrachtungsweise abzustellen. Er genieße Vertrauensschutz nach § 229 Abs. 1a SGB VI, der Ausschluss missbräuchlicher (steuer-)rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abgabenordnung (AO) finde im Sozialrecht keine Anwendung.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2004 als unbegründet zurück. Die Gründung von finanz- und wirtschaftsschwachen Aktiengesellschaften bei gleichzeitiger Überbesetzung der Vorstandsetage mit sozial schutzbedürftigen Vorstandsmitgliedern, die damit der Rentenversicherungspflicht entzogen würden, sei vor dem Hintergrund von Gesetzesgeschichte, Gesetzesmaterialien und Gesetzeszweck des § 1 Satz 4 SGB VI als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten einzustufen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 42 AO sei solcher Gestaltungsmissbrauch rentenversicherungsrechtlich unbeachtlich. Dagegen hat der Kläger am 21.05.2004 Klage zum Sozialgericht Mainz erhoben. Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 02.07.2004 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) verwiesen worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 22.11.2004 hat der Kläger auf Befragen angegeben, seine derzeitige Tätigkeit für die AG sei beschränkt. Die AG diene zur Zeit nur der eigenen Vermögensverwaltung. Der Mitgründer und er befänden sich in ungekündigten Arbeitsverhältnis...