Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Terminverlegung. zweiter Verlegungsantrag. Prozessförderungspflicht. Entsendung eines Unterbevollmächtigten. Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes. Ablehnung wegen Verzögerung des Rechtsstreits. Fristsetzung des Gerichts. Rechtsanwalt. fehlende Benennung eines bestimmten Arztes. grobe Nachlässigkeit. keine Widereinsetzung in den vorigen Stand bei richterlichen Fristen. Schwerbehindertenrecht. Feststellung des GdB bei Auslandswohnsitz
Leitsatz (amtlich)
Einem zweiten Verlegungsantrag muss auch bei geltend gemachter besonderer Qualifikation eines Prozessbevollmächtigten nicht stattgegeben werden, da (insbesondere bei einer insgesamt mandatierten Sozietät von Rechtsanwälten) die Entsendung eines Unterbevollmächtigten aufgrund der wegen des Zeitablaufs gesteigerten Prozessförderungspflicht der Beteiligten erwartet werden kann.
Orientierungssatz
1. Ein Rechtsanwalt - insbesondere ein Fachanwalt für Sozialrecht - muss wissen, dass ein wirksamer Antrag nach § 109 SGG überhaupt erst vorliegt, wenn ein bestimmter Arzt namentlich bezeichnet worden ist. Eine Fristsetzung des Gerichts also nur auf die Einzahlung des Kostenvorschusses zu beziehen und nicht auf die Benennung des Arztes, ist bereits für sich grob nachlässig.
2. Eine Wiedereinsetzung in die richterliche Frist zur Antragstellung nach § 109 SGG scheidet aus, da nach § 67 Abs 1 SGG Wiedereinsetzung nur in gesetzliche Fristen gewährt werden kann (vgl BSG vom 3.6.2008 - B 2 U 312/07 B = SozR 4-1500 § 73 Nr 2).
3. Bei behinderten Menschen mit Auslandswohnsitz ist auf Antrag der GdB festzustellen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können, die keinen Inlandswohnsitz voraussetzen (vgl BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R = BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.
Der 1955 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger und wohnt in Frankreich. Er ist verheiratet, kinderlos und als Installateur im Kunden- und Wartungsdienst bei einem deutschen Arbeitgeber mit Sitz in B. angestellt. Zwar verrichtet er dort gegenwärtig keine Beschäftigung und wird auch nicht bezahlt, nominell besteht das Arbeitsverhältnis aber mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ungekündigt fort. Von der D.R. R. erhält er aufgrund des Bescheides vom 31. Oktober 2013 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 1. Juli 2010. Wegen eines Dickdarmkarzinoms, das im Jahr 2002 operativ entfernt und mit Chemotherapie behandelt wurde, war bei ihm mit Bescheid vom 11. Mai 2004 der GdB mit 50 seit 1. Dezember 2002 bis zur Aufhebung wegen Eintritts der Heilungsbewährung mit Bescheid vom 17. Februar 2006 festgestellt worden.
Am 28. Mai 2015 beantragte der Kläger wiederum die Feststellung des GdB und machte geltend, unter vielfachen gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere psychischer und viszeralchirurgischer Art zu leiden. Hierzu legte er ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit R. vom 2. März 2011 vor, worin von einer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 3 Stunden täglich ausgegangen wird, weil es nach einer erfolgreichen Behandlung einer Geschwulsterkrankung zu Narbenbeschwerden mit Hinweisen auf die Entwicklung einer chronischen Schmerzsymptomatik gekommen sei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung stellte das Landratsamt R. mit Bescheid vom 19. August 2015 wegen eines Teilverlusts des Dickdarms und eines chronischen Schmerzsyndroms den GdB mit 20 seit 28. Mai 2015 fest.
Im dagegen mit dem Ziel der Zuerkennung eines GdB von 50 geführten Widerspruchsverfahrens legte der Kläger die im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht S. (S 7 R 1071/11) und Landessozialgericht R. (L 2 R 349/13) um die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Berufungsinstanz eingeholten ärztlichen Gutachten vor.
Prof. Dr. R. (Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie) führte in seinem chirurgischen Gutachten vom 15. Juli 2015 nach klinischer Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 aus, dass ihm im Jahr 2002 wegen eines Adenokarzinoms ein Teil des Dickdarms entfernt worden sei. Infolge von Infektionen sei es zweimal zu einer Nachoperation gekommen, bis dann eine Chemotherapie über sechs Zyklen durchgeführt worden sei. Im Jahr 2009 sei wegen einer Hernie am linken Narbenpol erneut nachoperiert worden, ein weiteres Mal im Jahr 2010 an der rechten Narbenseite und ein drittes Mal im Jahr 2014. Verbli...