Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsentziehung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten. Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen zum Nachweis der Hilfebedürftigkeit. Zulässigkeit der Datenerhebung und -speicherung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Werden Leistungen nach dem SGB II beantragt, obliegt es dem Antragsteller, dem Leistungsträger Kontoauszüge vorzulegen. Der Leistungsträger nach dem SGB II ist berechtigt und verpflichtet, diese Kontoauszüge zur Akte zu nehmen.
Orientierungssatz
Die Pflicht zur Vorlage der Kontoauszüge begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Oktober 2016. Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt ist, Kontoauszüge des Klägers zur Akte zu nehmen.
Der Kläger ist 1960 geboren und selbständig tätig. Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld I beantragte er am 11. Juni 2015 die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Der Beklagte bewilligte ihm vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015 (Bescheid vom 15. Dezember 2015) und auf den Weiterbewilligungsantrag vom 22. Januar 2016 vorläufig Leistungen für Januar bis Juni 2016 (Bescheid vom 27. Januar 2016).
Am 27. Juli 2016 beantragte der Kläger erneut die Weiterbewilligung von Leistungen. Er trug dabei vor, dass Nachweise wie Kontoauszüge nur vorzulegen seien und nicht kopiert werden dürften. Dies sei datenschutzrechtlich nicht zulässig und verstoße gegen das Übermaßverbot. Das Gleiche gelte auch für Personalausweise, Krankenversicherungskarten et cetera. Die Vorlage entsprechender Nachweise setze daher eine Terminvereinbarung voraus.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage u.a. der Kontoauszüge der letzten drei Monate lückenlos in Kopie bis zum 15. August 2016 auf. Wenn er bis zu diesem Termin nicht reagiere oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht würden, könnten die Geldleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden. Mit Schreiben vom 15. September 2016 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Kontoauszüge der letzten drei Monate bis zum 2. Oktober 2016 lückenlos in Kopie vorzulegen. Anderenfalls könnten Geldleistungen ganz versagt werden.
Der Kläger brachte mit Schreiben vom 28. September 2016 vor, dass die Kontoauszüge der letzten drei Monate aus datenschutzrechtlichen Gründen nur zur Einsichtnahme und Prüfung vorzulegen, aber nicht zur Akte zu nehmen seien, von einzelnen klärungsbedürftigen Vorgängen abgesehen. Die Ablage in der Akte stehe einer elektronischen Speicherung gleich. Eine notwendige Datenerhebung gemäß § 67 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedeute nicht automatisch, dass diese auch zu speichern seien. Grundsätzlich sei die Vorlage der Kontoauszüge zur Prüfung und Einsichtnahme geeignet, abschließend festzustellen, ob eine Bedürftigkeit vorliege. Soweit der Beklagte dieses Beweisangebot weiterhin durch Nichtgewährung eines Termins ablehne, befinde er sich im Annahmeverzug, der im Ergebnis dazu führe, dass ein berechtigter Leistungsbezug verhindert werde. Außerdem teilte er mit, dass er voraussichtlich ab 4. Oktober 2016 eine versicherungspflichtige Tätigkeit in einem anderen Bundesland aufnehmen werde. Somit ende sein Antrag vom 27. Juli 2016 auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 1. Juli 2016 am 3. Oktober 2016.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 erinnerte der Beklagte den Kläger an die Aufforderung zur Mitwirkung vom 15. September 2016 und forderte den Kläger erneut u.a. zur Vorlage der Kontoauszüge der letzten drei Monate lückenlos in Kopie auf. Er setzte eine Frist bis zum 21. Oktober 2016 und wies auf die Möglichkeit, dass andernfalls Geldleistungen ganz versagt werden könnten, hin.
Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Mit Bescheid vom 7. November 2016 versagte der Beklagte Leistungen ab dem 1. Juli 2016 ganz. Der Kläger habe trotz Aufforderung, die Kontoauszüge der letzten drei Monate lückenlos in Kopie vorzulegen, diese nicht vorgelegt. Es lägen keine Gründe vor, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden könnten. Die Vorlage von Kontoauszügen zur Einsicht sei eine rechtmäßige Erhebung von Daten nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Aufbewahrung der Kontoauszüge im Original oder in Kopie in der Verwaltungsakte sei eine rechtmäßige Speicherung von Daten nach § 67c SGB X. Die Aufbewahrung der Kontoauszüge sei zunächst erforderlich, um die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu überprüfen. Die Kontoauszüge seien sorgfältig auf Einkommen, Vermögen und Bedarf zu prüfen. Eine kurze Einsichtnahme genüge dafür nicht. Für Kontoauszüge, die Einna...