Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. Arbeitslosengeld II-Bezug. Beitragsbemessung. Berücksichtigung von nachträglich gezahlten Versorgungsbezügen (hier: Berufsunfähigkeitsruhegeld). Berücksichtigung nachgezahlter Versorgungsbezüge als Einkommen nach dem SGB 2 ab Zeitpunkt, in dem es dem Betroffenen zugeflossen ist. Bestand der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5 auch bei rechtswidrigem Arbeitslosengeld II-Bezug
Leitsatz (amtlich)
1. Beziehen Alg-II-Leistungsempfänger neben den Leistungen nach dem SGB 2 weitere Einnahmen, so bestimmt § 232a Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB 5 zum einen, dass auch diese Einnahmen der Beitragspflicht unterliegen, und zum anderen, in welcher Rangfolge die Einnahmen heranzuziehen sind. Darüber hinaus bestimmt § 232a Abs 4 (seit 1.1.2007: § 232a Abs 3) SGB 5, dass die Regelung des § 226 SGB 5 entsprechend gilt; das heißt "neben" den beitragspflichtigen Einnahmen nach § 232a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5 werden bei Beziehern von Alg II die von ihnen bezogenen Renten, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen der Beitragsberechnung bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt.
2. Während (nachgezahlte) Versorgungsbezüge beitragsrechtlich den Monaten zuzuordnen sind, für die sie gezahlt werden, ist nach dem Recht des SGB 2 auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem die Nachzahlung dem Betroffenen als sog bereite Mittel zur Bedarfsdeckung zustanden.
Orientierungssatz
Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5 knüpft lediglich an den "Bezug" von Arbeitslosengeld II an, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser möglicherweise rechtswidrig ist, dh sie bleibt bestehen, auch wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 07. Januar 2005 wegen des (nachträglichen) Bezugs von Versorgungsleistungen streitig.
Der 1950 geborene Kläger ist seit Oktober 1979 (mit Unterbrechungen vom 01. Oktober 2001 bis 31. Mai 2002 sowie vom 01. August 2005 bis 03. August 2005) Mitglied der Beklagten. Bis 06. Januar 2005 war er als selbständiger Arzt freiwillig bei der Beklagten versichert. Vom 07. Januar bis 31. Juli 2005 sowie vom 04. August 2005 bis 31. Juli 2007 bezog der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war deshalb bei der Beklagten pflichtversichert. In seinem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 07. Januar 2005 gab der Kläger gegenüber der Beigeladenen an, er habe im Oktober 2004 bei der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im folgenden VA Baden-Württemberg) einen Antrag auf Umwandlung des bisher nur vorübergehend gezahlten Berufsunfähigkeitsruhegeldes ab 01. November 2004 in ein Berufsunfähigkeitsruhegeld bei voraussichtlich dauernder Berufsunfähigkeit beantragt.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 teilte die VA Baden-Württemberg dem Kläger mit, dass sie nunmehr Berufsunfähigkeitsruhegeld ab dem 01. November 2004 wegen dauernder Berufsunfähigkeit zahlen werde. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01. November 2004 bis zum 31. Mai 2007 betrage insgesamt 67.081,04 € (monatliche Rente nebst Kinderzuschlag; vgl Blatt 1 bis 3 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die monatliche Rente belaufe sich von November 2004 bis Juni 2005 auf 1.869,71 € (Kinderzuschlag 280,46 €), von Juli 2005 bis Juni 2006 auf 1.874,56 € (Kinderzuschlag 281,18 €), von Juli 2006 bis Mai 2007 auf 1.898,09 € (Kinderzuschlag 284,71 €) und ab Juli 2007 auf 1.922,60 € (Kinderzuschlag 288,39 €). Der Kläger teilte dies der Beigeladenen im Juni 2007 mit. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02. Juli 2007 hob die Beigeladene die Bewilligungsentscheidungen nach dem SGB II ab dem 07. Januar 2005 in folgender Höhe ganz auf: Arbeitslosengeld (Alg) II (Regelleistung) 10.433,37 € für den Erstattungszeitraum vom 07. Januar 2005 bis 31. Juli 2007, Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 3.671,75 €, Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 452,52 €, Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 11.754,33 € und Zuschüsse zu den Beiträgen bei der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2.139,42 € (Gesamtforderung: 28.441,39 €). Diese Forderungen beglich der Kläger im Juli 2007 (vgl Blatt 100 der Verwaltungsakte der Beigeladenen).
Mit Schreiben vom 12. Juni 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er von der VA Baden-Württemberg Nachzahlungen erhalten habe, weshalb er bat, die Rückforderungsansprüche zu berechnen. Die Beklagte zu 1) setzte daraufhin mit Bescheiden vom 06. August 2007 den monatl...