Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes. Witwenrente. widerlegbare Vermutung. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. lebensbedrohliche Erkrankung
Orientierungssatz
Zur Widerlegung und Bestätigung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe iSd § 46 Abs 2a SGB 6, wenn der verstorbene Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 1. Dezember 2005 verstorbenen Heinz E. R. (Versicherter).
Die 1937 in I. geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben seit ca. 1979 mit dem Versicherten zusammen, in T. gemeldet ist sie seit 15. Februar 1986, seit 1. Januar 1996 unter der letzten Adresse des Versicherten (Bl. 73 LSG-Akte). Nach Angaben der Klägerin betrieben sie und der am 10. Januar 1933 in E. geborene, geschiedene Versicherte zusammen ein Abschleppunternehmen und einen Motorrollerladen. Die Klägerin bezieht seit 2002 Regelaltersrente in Höhe von 421,67 € netto monatlich ab 1. April 2005 und erzielt daneben aus einer Beschäftigung als Reinigungskraft Arbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe, im Jahr 2005 durchschnittlich in Höhe von knapp 740 € brutto monatlich. Der Versicherte bezog auf den erst am 29. Mai 2002 gestellten Antrag ab 1. Mai 2002 Regelaltersrente in Höhe von zuletzt 807,99 € netto monatlich.
Am 29. Dezember 2004 suchte der Versicherte den Hausarzt Dr. M. auf und klagte über Schluckstörungen und erhebliche Gewichtsabnahme von ca. 15 kg in den letzten Wochen. Am 3. Januar 2005 wurde beim Versicherten bei einer ambulant durchgeführten Magenspiegelung im Kreiskrankenhaus T. ein Magenkarzinom diagnostiziert und am 4. Januar 2005 bei einer Computertomographie multiple, bis 6 cm große hepatische Raumforderungen festgestellt. Nach der Vorstellung des Versicherten am 14. Januar 2005 im Zentrum für gastrointestinale Tumore in F. (ZGT) zur Therapieplanung wurde er am 27. Januar 2005 zur Einleitung einer palliativen Chemotherapie im Kreisklinikum T. aufgenommen. Diese führte anfangs zu einer partiellen Remission, ab Herbst 2005 kam es zu einer deutlichen Verschlechterung. Der Versicherte verstarb am 1. Dezember 2005 an den Folgen seiner Krebserkrankung.
Zuvor hatten die Klägerin und der Versicherte am 31. Januar 2005 die Eheschließung angemeldet und am 9. Februar 2005 geheiratet.
Am 5. Januar 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes und gab an, die tödlichen Folgen der Krankheit des Versicherten seien bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 10. April 2006 ab, da der Versicherte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstorben sei und deshalb eine sog Versorgungsehe nach § 46 Abs 2 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterstellt werde.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe ein eigenes Einkommen, weshalb sie nicht auf eine Versorgung über eine Hinterbliebenenrente angewiesen sei. Die Erbschaft habe sie ausgeschlagen, weil der Nachlass des Versicherten verschuldet gewesen sei. Der Versicherte habe zuletzt keinen Krankenversicherungsschutz mehr gehabt, weshalb sie die Krankenhauskosten, die bis zum Tod angefallen seien, von insgesamt ca
34.000 € in Raten abtrage.
Nachdem die Klägerin die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zur Einsicht in die medizinischen Unterlagen des Verstorbenen nicht erteilt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 zurück. Da die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nicht erfolgt sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Tod des Verstorbenen unerwartet und unvorhersehbar eingetreten sei. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe könne widerlegt werden, wenn die Hinterbliebene selbst ausreichend versorgt sei und die vom Verstorbenen bezogene Rente deutlich niedriger sei als die der Witwe. Die Rente des Verstorbenen sei deutlich höher als die Altersrente der Klägerin und nur unwesentlich niedriger als deren Gesamteinkommen aus Rente und Arbeitsentgelt. Weiterhin deute auch die angegebene Verschuldung des Versicherten darauf hin, dass die Klägerin einer zusätzlichen finanziellen Versorgung bedürfe. Deshalb könnten auch die dargelegten Umstände einer über Jahre bestehenden ehelichen Gemeinschaft nicht davon überzeugen, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Mit der am 7. August 2006 dagegen vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe das Abschleppunternehmen gemeinsam mit dem Versicherten betrieben. Die Einkünfte daraus seien für das Haus des Versicherten sow...