Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Arbeitslosigkeit. Beschäftigungslosigkeit. widerrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung nach Arbeitgeberkündigung. kein Verzicht auf Verfügungsbefugnis
Orientierungssatz
Es liegt keine Beschäftigungslosigkeit iS von § 138 Abs 1 Nr 1 SGB 3 vor, wenn der Arbeitnehmer mit der ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung widerruflich von der Erfüllung seiner Arbeitspflicht freigestellt worden ist, da der Arbeitgeber nicht endgültig auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat.
Normenkette
SGB III § 138 Abs. 1 Nr. 1, § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 157 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.01.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 20.06.2016.
Der Kläger ist seit 1989 als Facharbeiter im Produktionsbereich bei der E. GmbH (E.) beschäftigt. Er bezog vom 07.07.2015 bis 12.10.2015 und vom 04.11.2015 bis 31.05.2016 Krankengeld, vom 13.10.2015 bis 03.11.2015 bezog er Übergangsgeld. Die Arbeitgeberin kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 25.02.2016 fristgerecht zum 30.09.2016. Hierbei stellte sie ihn widerruflich von der Erfüllung seiner Arbeitspflicht frei. Am 30.05.2016 bot der Kläger der Arbeitgeberin seine Leistungen ab 01.06.2016 wieder an, führte aber unter Vorlage entsprechender medizinischer Befundberichte aus, dass er nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, zeitweise im Stehen und Gehen aber überwiegend im Sitzen vollschichtig ausüben könne. Die Arbeitgeberin lehnte seine Arbeitsleistung ab, da kein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.
Hierauf meldete sich der Kläger umgehend zum 01.06.2016 arbeitslos und beantragte am 15.06.2016 rückwirkend die Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Beklagten. In einem Telefonat am 05.07.2016 teilte die Arbeitgeberin der Beklagten mit, dass für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis 20.06.2016 ein ärztliche Attest vorgelegen habe, das schweres Heben und Tragen, Überkopfarbeiten und Ähnliches ausgeschlossen habe; eine Krankmeldung sei aber nicht vorgelegt worden. Dem Kläger sei gesagt worden, dass keine passende Arbeit für ihn zur Verfügung stehe. Am 21.06.2016 habe der Kläger ein neues Attest vorgelegt, wonach die Krankheit nun ausgeheilt sei. Seit diesem Tag arbeite er wieder. Der Kläger nahm am 21.06.2016 seine Arbeit bei der Firma E. an einem anderen Arbeitsplatz, der seiner gesundheitlichen Situation entsprach, wieder auf. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 05.07.2016 ab. Der Kläger sei nur widerruflich freigestellt worden und somit nicht beschäftigungslos im Sinne des Sozialversicherungsrechts.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 03.08.2016 Widerspruch. Zwar sei er lediglich widerruflich freigestellt worden, tatsächlich habe er aber aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr im Betrieb eingesetzt werden können, sodass er beschäftigungslos gewesen sei. Der Kläger legte E-Mails der Arbeitgeberin vor, aus denen sich ergab, dass kein leidensgerechter Arbeitsplatz angeboten werden könne und eine Freistellung bei Fortzahlung der Bezüge außerhalb der Urlaubstage nicht in Betracht komme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei einer widerruflichen Freistellung bestehe das Beschäftigungsverhältnis weiter, da der Arbeitgeber jederzeit auf die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugreifen könne. Der Arbeitnehmer sei somit gar nicht in der Lage, eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu suchen.
Der Kläger hat am 16.08.2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die seitens der Arbeitgeberin ausgesprochene widerrufliche Freistellung sei für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Es handle sich vielmehr um einen Fall des Annahmeverzuges der Arbeitsleistung nach längerer Erkrankung. Die Arbeitgeberin habe ihm, nachdem er austherapiert gewesen sei, mitgeteilt, dass er keinen Arbeitsplatz habe, auf dem er leidensgerecht eingesetzt werden könne. Letztlich hätte im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens geklärt werden müssen, ob er tatsächlich nicht ab dem 01.06.2016 von der Beklagten (gemeint wohl: der Arbeitgeberin) hätte beschäftigt werden können; dies sei nicht ausgeschlossen, da die Beklagte (gemeint wohl: die Arbeitgeberin) auch viele Frauen beschäftige, die nicht in Nachtschicht arbeiteten und keine schweren Lasten heben müssten. Es sei für die Beratungspraxis seines Bevollmächtigten von ganz erheblicher Bedeutung, ob einem Mandanten bei Vorliegen eines derartigen Sachverhaltes angeraten werden könne, seine Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen seines beschränkten Leistungsvermögens anzubieten und ihm gleichfalls mitgeteilt...