Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Gerichtsbescheid. schriftlich eingereichte Prozeßvollmacht. Prüfung vom Amts wegen. Zeitpunkt der Berücksichtigung. zu den Akten gereicht. Wirksamkeitsvoraussetzung
Orientierungssatz
1. Das Vorhandensein der Prozeßvollmacht und die daran geknüpfte Zulässigkeit der Klage sind im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (vgl GmSOGB vom 17.4.1984 - GmS-OGB 2/83 = BVerwGE 69, 380 = BGHZ 91, 111 = SozR 1500 § 73 Nr 4). Dabei sind Prozeßerklärungen, zu denen auch die Erteilung einer Prozeßvollmacht gehört, im schriftlichen Verfahren, zu dem auch der Erlaß eines Gerichtsbescheides gehört, bis zur Entäußerung der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Herausgabe der Entscheidung von der Geschäftsstelle zum Zwecke der Zustellung an die Beteiligten.
2. § 73 Abs 2 SGG verlangt, daß die Vollmachtsurkunde zu den Akten gereicht wird. Akten in diesem Sinne sind die Gerichtsakten und nicht etwa auch die von dem Prozeßbeteiligten beigezogenen Akten (vgl BSG vom 15.8.1991 - 12 RK 39/90 = SozR 3-1500 § 73 Nr 2). Die Vollmachtsurkunde ist nur dann "zu den Akten gereicht", wenn die Urkunde Bestandteil der Gerichtsakte wird. Aktenstücke in beigezogenen Verwaltungsakten werden grundsätzlich nicht Aktenbestandteil der Gerichtsakte.
3. Für eine wirksame Vollmacht im Sinne von § 73 Abs 2 SGG ist Voraussetzung, daß sie aus sich heraus erkennen läßt, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt wurde.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Schwerbehinderte ist. Vorab geht es darum, ob sie im Klageverfahren ordnungsgemäß vertreten gewesen ist.
Bei der 1935 geborenen Klägerin war zuletzt mit dem Widerspruchsbescheid vom 11.10.1995 der Grad der Behinderung (GdB) für die Behinderungen "Bluthochdruck; Zuckerstoffwechselstörung; Wirbelsäulensyndrom, Fußfehlform, Lendenwirbelkörper-II-Fraktur mit Fixateur intern; psycho-vegetative Störungen" auf 40 festgesetzt und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit seit 30.11.1994 festgestellt worden. Grundlage hierfür war die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. A. im Widerspruchsverfahren vom 03.07.1995.
Am 31.05.1996 stellte sie durch ihren Bevollmächtigten einen Neufeststellungsantrag, dem in Kopie ein als "Vollmacht" deklariertes, auf den 29.05.1996 datiertes Schriftstück beilag, das jedoch nicht unterzeichnet war. Das Versorgungsamt (VA) H. gewährte antragsgemäß Akteneinsicht und übersandte den formularmäßigen Antrag zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG). Dieser ging, datiert auf den 25.11.1997, am 03.12.1997 beim VA ein. Die Unterschrift bestand aus einem Gekritzel von zwei nicht weiter identifizierbaren Teilen. Das VA holte von den behandelnden Ärzten der Klägerin Dr. P., Orthopäde in H., und Dr. F., Internist in H., die schriftlichen Auskünfte vom 19. bzw. 16.01.1998 ein. Nach deren Auswertung in der vä Stellungnahme vom 09.03.1998 bezeichnete das VA H. mit Bescheid vom 16.03.1998 bei gleichbleibendem GdB die Behinderungen mit "Bluthochdruck; Zuckerstoffwechselstörung; Wirbelsäulensyndrom, Fußfehlform, Lendenwirbelkörper-II-Fraktur mit Fixateur intern, Epicondylopathie; psycho-vegetative Störungen; Kniegelenkveränderungen". Den hiergegen eingelegten, nicht begründeten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt B.-W. mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.1998 zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob Rechtsanwalt R. am 15.07.1998 "namens und in Vollmacht der Klägerin" Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim mit der Begründung, als weitere Behinderungen seien Infekte der oberen Atemwege und Fettstoffwechselstörungen zu berücksichtigen. Beachte man ferner, daß Kniegelenkveränderungen als weitere Behinderung bereits festgestellt worden seien, müsse der Gesamt-GdB nunmehr mit mindestens 50 bewertet werden. Der Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG forderte Rechtsanwalt R. mit Schreiben vom 16.07.1998 auf, innerhalb von vier Wochen die schriftliche Originalvollmacht vorzulegen. Gleichzeitig wurde die - formularmäßige - Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht mitübersandt. Mit gegen Empfangsbekenntnis am 10.09.1998 zugestellter Verfügung vom 09.09. wurde an die Vorlage der Originalvollmacht und die Übersendung der Entbindungserklärung erinnert. Trete insofern keine Erledigung bis Monatsende ein, komme wegen der fehlenden Vollmacht eine Klageabweisung als unzulässig, wegen der fehlenden Entbindungserklärung als unbegründet in Betracht. Es werde erwogen, eine solche Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu treffen. Auch hierzu könne Stellung genommen werden. "Namens und in Vollmacht der Klägerin" legte Rechtsanwalt R. unter dem 17.09.1998 die von der Klägerin am 17.09.1998 unterzeichnete Entbindungserklärung - ausgefüllt - vor. Diese Entbindungserklärung, die an das Sozialgericht Mannheim adressiert war, trug oben rechts das sozialgerichtliche Aktenzeichen und enthielt im...