Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Prozessvollmacht per Telefax. Prozessurteil. Zurückverweisung gem § 159 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die dem Gericht durch Telefax übermittelte und im Original unterschriebene Prozessvollmacht genügt den Anforderungen an eine schriftliche Vollmacht nach den §§ 153 Abs 1, 73 Abs 2 S 1 SGG. Der Vorlage der Originalvollmacht bedarf es nicht.

2. Hat dies das Sozialgericht verkannt und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen, kann das Landessozialgericht im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessens den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverweisen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2006 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) der 1946 geborenen Klägerin.

Zuletzt hatte das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Urteil vom 29. August 2003 den Beklagten verurteilt, den GdB ab 27. Juni 2001 mit 40 festzustellen. Mit Telefax vom 16. September 2004 legte Rechtsanwalt D. unter Beifügung einer Vollmacht vom 8. September 2004 den Formantrag der Klägerin auf Neufeststellung ihres GdB vor. Mit Bescheid vom 13. April 2005 stellte das VA den GdB ab 16. September 2004 mit 50 fest. Den hiergegen am 21. April 2005 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2005 zurück.

Dagegen erhob Rechtsanwalt D. mit Telefax vom 17. Oktober 2005 Klage zum SG. Mit Telefax vom 21. November 2005 legte er die Vollmacht vom 15. November 2005 vor. Mit Schreiben vom 12. Januar 2006 teilte das SG mit, es erwäge, die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid abzuweisen, da die Klage unzulässig sei, solange keine den Erfordernissen des § 73 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genügende Vollmacht vorliege. Es bestehe die Möglichkeit, sich binnen drei Wochen zu äußern oder die Klage zurückzunehmen. Hierzu führte Rechtsanwalt D. unter dem 27. Januar 2006 aus, es sei schwer nachvollziehbar, weshalb an sämtlichen Sozialgerichten und auch beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Vorlage der Vollmacht per Telefax ausreichend sei, nur nicht bei der 3. Kammer des SG.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2006 wies das SG die Klage als unzulässig ab. Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, dass eine Vollmachtsurkunde nicht bis zur Verkündung der Entscheidung eingereicht worden sei. Die vorgelegte Faxkopie einer Prozessvollmacht genüge nicht. Vielmehr sei das Original erforderlich. Die entgegengesetzte Meinung widerspreche dem Wortlaut des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Nachweis, dass die Vollmacht gerade für die vorliegende Klage ausgestellt und die Urkunde nicht manipuliert sei, könne nur durch Vorlage der Urkunde selbst erbracht werden. Auch der Wortlaut des Gesetzes spreche für diese Auslegung. Danach sei die Vollmacht und nicht nur eine Kopie von ihr zu den Akten zu geben.

Gegen den am 22. Februar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat Rechtsanwalt D. am 22. März 2006 Berufung eingelegt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 16. November 2000 (B 13 RJ 3/99 R, SozR 3-1500 § 151 Nr. 4) ausgeführt, das Merkmal der Schriftlichkeit schließe bereits nach dem Sprachgebrauch nicht ohne Weiteres notwendig die handschriftliche Unterzeichnung ein. Zwar werde dem Schriftformerfordernis grundsätzlich durch die eigenhändige Unterschrift Rechnung getragen, da dies das typische Merkmal sei, um den Urheber eines Schriftstücks und seinen Willen festzustellen, die niedergeschriebene Erklärung in den Verkehr zu bringen. Jedoch seien insoweit zahlreiche Ausnahmen anerkannt. So werde die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax als zulässig angesehen. Der einzige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewährleistet sein. Rechtsanwalt D. hat weiter ausgeführt, vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des BSG sei es schwer nachvollziehbar, weshalb sämtliche anwaltlichen Schriftsätze klaglos auch als Telefax vom Gericht akzeptiert würden und dies ausgerechnet im Falle der Vollmachtsvorlage nicht der Fall sein solle. Augenscheinlich folge auch das LSG Baden-Württemberg dem BSG in dieser Frage. Jedenfalls seien in den letzten 15 Jahren senatsübergreifend vom Unterzeichner per Telefax vorgelegte Vollmachten als ausreichend angesehen worden. Um der normativen Kraft des Faktischen zu genügen, sei darüber hinaus der Hinweis erlaubt, dass auch das BSG etwa in einem von ihm zur Zeit betriebenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - wie auch schon bisher - die Vorlage der Vollmacht per Telefax als ausreichend angesehen habe. Auch hätten das LSG Berlin in seinem Beschluss vom 7. Februar 1991 und...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge