Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe der Verletztenrente. MdE-Feststellung. Aktualität: bisherige MdE-Bewertungskriterien. unfallversicherungsrechtliche Literatur. Reformvorhaben. wissenschaftliche Diskussion. MdE-Neubewertung
Leitsatz (amtlich)
Solange die wissenschaftliche Diskussion um die MdE-Erfahrungswerte in der gesetzlichen Unfallversicherung noch ergebnisoffen und nicht abgeschlossen ist, kann in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisse auf die bislang in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dargestellten MdE-Bewertungskriterien zurückgegriffen werden. Ergibt sich im Einzelfall, dass eine der zur Diskussion gestellte, hiervon abweichende MdE-Wertung für die in Frage stehende gesundheitliche Folge eines Versicherungsfalls überzeugender ist, ist das Gericht nicht gehindert, diese seiner Entscheidung zugrundezulegen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. wegen eines Arbeitsunfalles am 05.11.2003 ab dem 16.054.2012 zusteht.
Der 1968 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt bei der A. Maschinen-Vertriebs GmbH, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am 05.11.2003 rutschte der Kläger gegen 16:30 Uhr im Rahmen der Betriebstätigkeit beim Besteigen einer Leiter ab (zur Unfallanzeige vgl. Blatt 2 der Beklagtenakte). Der am selben Tag aufgesuchte D-Arzt Dr. V. stellte eine Kniedistorsion links und den Verdacht auf eine Kreuzbandruptur im linken Knie fest (D-Arztbericht vom 05.11.2003, Blatt 3 der Beklagtenakte); im Bericht von Prof. Dr. G. vom 10.11.2003 (Blatt 9 der Beklagtenakte) über eine Kernspintomographie wurde ein vorderer Kreuzbandriss mit klassischer Kontusionsdelle, eine Innenmeniskuskontusion am Hinterhorn bei intakter Meniskusoberfläche, ein hämorrhagischer Gelenkerguss und ein Kapselödem als Diagnosen angeführt. Am 13.11.2003 wurde mittels Arthroskopie eine partielle Innenmeniskushinterhornresektion und eine offene knöcherne Refixierung des vorderen Kreuzbandes durchgeführt (Bericht des K. Krankenhauses S. vom 24.11.2003, Blatt 17/18 der Beklagtenakte; zum Operationsbericht vgl. Blatt 65/66 der Beklagtenakte; zum Verlauf vgl. Berichte vom 23.12.2003 und 27.01.2004, Blatt 25, 34 der Beklagtenakte, dort: “anteromediale Instabilität„).
Nach Auswahl des Klägers und im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. V. am 19.04.2004 das Erste Rentengutachten (Blatt 51/55 der Beklagtenakte), in dem er als Unfallfolgen eine operativ fixierte vordere Kreuzbandruptur links mit leichten Lockerungszeichen des vorderen Kreuzbandes, eine arthroskopisch behandelte Innenmeniskushinterhornläsion links und eine im Seitenvergleich mit rechts leichte Muskelverschmächtigung des linken Ober- und Unterschenkels für die Zeiträume vom 26.01.2004 bis zum 13.04.2004 und vom 14.04.2004 bis 25.01.2005 jeweils mit einer MdE von 20 v.H. bewertete.
Mit Bescheid vom 25.05.2004 (Blatt 69 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung für die Zeit vom 26.01.2004 bis 30.11.2004 nach einer MdE von 20 v.H. Weiter ist ausgeführt, dass der Arbeitsunfall zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt habe, die bei der Bewertung der MdE berücksichtigt worden seien: “Nach operativ versorgten Rissen des linken vorderen Kreuzbandes und des linken Innenmeniskushinterhorns: Reizzustand des Kniegelenks, Muskelminderung an Ober- und Unterschenkel, Herabsetzung des Knochenkalksalzgehalts im ehemaligen Verletzungsbereich.„
Dr. V. bewertete in seinem Rentengutachten vom 09.05.2005 (Blatt 78/82 der Beklagtenakte) die MdE für die Zeit vom 01.12.2004 bis zum 05.05.2005 mit 20 v.H. und für die Zeit vom 06.05.2005 bis auf weiteres ebenfalls mit 20 v.H. Er teilte hierzu mit, dass auf Grund der “doch erheblichen Instabilität des Kniegelenkes, welche derzeit muskulär nicht immer kompensiert werden kann„, im Verlauf möglicherweise eine Stabilisierung mittels Kreuzbandersatzplastik erforderlich werde.
Nachdem der Beratungsarzt Dr. Ko. dieser Einschätzung nicht gefolgt ist (Stellungnahme vom 24.05.2005, Blatt 88/89 der Beklagtenakte) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.2005 (Blatt 91 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.10.2005 (Blatt 98 der Beklagtenakte) fest, dass ein Anspruch auf Rente über den 30.11.2004 hinaus nicht bestehe.
Auf Veranlassung des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. W. stellte sich der Kläger am 18.01.2012 bei den Durchgangsärzten Dres. V. /T. vor. Nach deren D-Arztbericht (Blatt 99/100 der Beklagtenakte) war der Kläger bis August 2011 weitgehend beschwerdefrei. Danach habe er über zunehmende belastungsabhängige Schmerzen im linken Kniegel...