Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Anforderungen an den Nachweis eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs bei einem über sechs Monate nach dem Arbeitsunfall diagnostizierten Gesundheitsschaden
Leitsatz (amtlich)
Das von der beklagten Berufsgenossenschaft postulierte Erfordernis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheits(erst)schaden bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall eingetreten ist, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG eine Grundlage und würde in allen Fällen, in denen - wie häufig - der sichere Nachweis einer Gesundheitsstörung erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis gelingt, die Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität im Sinne des Nachweises mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konterkarieren.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 14.12.2015 und des Bescheides der Beklagten vom 10.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 19.01.2012 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. für den Zeitraum vom 20.03.2013 bis zum 31.10.2013 zu bezahlen.
II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin vier Zehntel ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihrer Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk als Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.01.2012 und hieraus die Gewährung einer Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mind. 20 v.H. nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Die 1998 geborene Klägerin besuchte im Schuljahr 2011/2012 die 8. Klasse der staatlichen Realschule T.. Die 8. Klassen dieser Schule befanden sich im Zeitraum vom 15.01.2012 bis 20.01.2012 im Skilager in O./Österreich. Am Nachmittag des 19.01.2012 kam es zu einem Skiunfall: Die Klägerin fuhr gerade einen Hang hinunter, als eine Mitschülerin, die Zeugin V. W., ihr direkt entgegenkam. Es kam daher zu einem Zusammenstoß, und beide stürzten. Die Klägerin verdrehte sich dabei das linke Kniegelenk und verspürte dort ein "Knacksen". Die Ski-Bindungen waren nicht aufgegangen (so die im Tatbestand des Gerichtsbescheides wiedergegebene Angabe der Klägerin im Erörterungstermin des Sozialgerichts Landshut vom 06.10.2015, bestätigt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Landessozialgericht). Das Knie schmerzte etwas und war leicht geschwollen. Dennoch fuhr sie noch rund eine Stunde weiter, bis der Skitag zu Ende war. Am nächsten Tag wurde nicht mehr Ski gefahren, vielmehr fuhren die Klassen nach Hause. Nach Angaben der Mutter der Klägerin war das linke Knie, als die Klägerin nach Hause kam, geschwollen. Es war nicht gerötet, aber dicker als das rechte Knie. Die Mutter traf dann einen ihr bekannten Arzt an der Tankstelle. Dieser riet ihr, wegen der Kniebeschwerden ihrer Tochter Quarkwickel zu machen. Das anschließende Wochenende über wurden Quarkwickel gemacht. Das Knie wurde daraufhin erst einmal besser. Ein Arzt wurde auch in den Wochen danach nicht aufgesucht, vielmehr begann die Klägerin, auch zeitnah wieder am Schulsport teilzunehmen.
Am Freitag, dem 27.07.2012 nahm die Klägerin an einem schulischen Fußballturnier teil. Während des Fußballspiels bekam sie plötzlich heftige Schmerzen am linken Knie und konnte nicht mehr weiterspielen. Es bestand auch eine Streckhemmung am linken Kniegelenk.
Am Montag, dem 30.07.2012, begab sie sich in Behandlung beim Orthopäden Dr. F. in H.. Dieser gab im Durchgangsarztbericht vom 30.07.2012 an, dass er bei der Klägerin im linken Kniegelenk einen Erguss tasten könne. Die Seitenbänder seien stabil, eine vordere Schublade sei nicht auszulösen. Die Extension/Flexion betrage 0-20-120 Grad. Es bestünden Schmerzen bei maximaler Streckung. Er habe den Verdacht auf eine eingeklemmte Meniskusstruktur am linken Kniegelenk. Im Rahmen des ersten Besuchs bei Dr. F. gab die Klägerin an, dass sie beim Skifahren mit einer anderen Skifahrerin zusammengestoßen und gestürzt sei und seither Schmerzen im linken Kniegelenk habe. Die Schmerzen durch den Sturz seien zwar nach einer Woche besser geworden, jedoch nie richtig abgeklungen.
Am 29.08.2012 machte die staatliche Realschule in T. bezüglich des Unfalles vom 19.01.2012 eine Unfallanzeige bei der Beklagten. Auch hierin wurde ausgeführt, dass die Klägerin während des Skilagers am 19.01.2012 mit einer Mitschülerin zusammengeprallt und dabei auf das linke Knie gestürzt sei. In ärztliche Behandlung habe sich die Klägerin im Anschluss an den Unfall nicht begeben. Ebenfalls am 29.08.2012 zeigte die staatliche Realschule T. den Vorgang vom 27.07.2012 als Unfall bei der Beklagten an.
Am 02.08.2012 wurde eine MRT des linken Kniegelenks durchgeführt (Befund vom 06.08.2012). Es ergab sich eine...